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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Lehrerinnenmiene. »So gehts aber nicht, Herr Süden! Sie müssen uns Ihren Ausweis zeigen, das ist Vorschrift!«
    »Glaube ich nicht«, sagte ich .
    »Doch, ganz bestimmt!«
    »Nein«, sagte ich.
    »Sie sind gar kein richtiger Polizist«, sagte Sue und wartete, dass ihre Freundinnen ihr zustimmten. Aber diese kratzten sich mit ihren Flipflops an den Waden und schienen zu überlegen, wie sie möglichst unauffällig wegkamen. »Und das sag ich gleich meinen Eltern.«
    »Mach das nicht«, sagte ich.
    »Warum nicht?« Sie setzte ein siegessicheres Gesicht auf.
    »Weil deine Eltern sich dann unnötig den Kopf darüber zerbrechen, mit welchem fremden, komischen Mann du gesprochen hast.«
    »Dann zeigen Sie uns Ihren Ausweis, Herr Süden«, sagte Sue und verschränkte trotzig die Arme .
    »Keine Lust«, wiederholte ich.
    Da ich schwieg, trauten sich die Mädchen nicht zu protestieren.
    Dann sagte Nele oder Maria: »Komm, Sue, wir müssen los, unsere Eltern warten auf uns.«
    Sie hatten sich schon einige Schritte entfernt, da drehte Sue sich noch einmal um: »Ich hab mir genau gemerkt, wie Sie aussehen, Herr Süden, ich kann Sie genau beschreiben, und dann müssen Sie ins Gefängnis.«
    »Ja«, sagte ich und merkte, dass der Junge mich die ganze Zeit anschaute. »Wie heißt du eigentlich?«
    »Peter. Ich glaub Ihnen, dass Sie Polizist sind.«
    »Warum?«, sagte ich.
    »Weiß nicht.« Er kratzte sich in der Hosentasche am Bein .
    »Ich war mit Anna in einer Klasse, sie war immer ganz still. So wie Sie.«
    »Und wie du«, sagte ich .
    Er grinste und schaute weg .
    »Hast du sie gut gekannt?«, sagte ich .
    Er schüttelte den Kopf.
    »Erinnerst du dich an etwas, was sie gesagt oder getan hat, kurz bevor sie verschwunden ist, Peter?«
    Er überlegte, schüttelte den Kopf, sah mich kurz an und kratzte sich wieder.
    »Sie hat gern gezeichnet, die Anna«, sagte ich .
    Er nickte.
    Ich klappte den Ordner auf und zog das Bild mit dem schwarzen Mann aus der Klarsichthülle. »Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte?«
    Lang und still sah sich Peter das Foto an, bevor er die Augen zusammenkniff und den Mund verzog. »Ich glaub, sie hat Angst gehabt, bevor sie verschwunden ist. Aber sie hat nicht drüber geredet.«
    »Wie kommst du darauf, dass sie Angst gehabt hat?«, sagte ich.
    »Sie hat nur noch alles schwarz gemalt, so wie hier, alles schwarz, wie in einem Horrorfilm.«
    »Hast du sie mal gefragt?«
    Jetzt kratzte er sich mit beiden Händen in den Hosentaschen. »Ja«, sagte er. Und fügte mit einem Rucken der Schulter hinzu: »Sie hat mich weggestoßen, brutal weg, als hätt ich ihr was getan. Ich hab sie nie wieder gefragt.«
    »Wussten die anderen Kinder oder die Lehrer, dass Anna Angst gehabt hat?«, sagte ich.
    »Die wissen null«, sagte Peter. »Sie hat sogar eine Eins gekriegt für das schwarze Gekritzel, das ist doch ungerecht!«
    »Du magst die schwarzen Zeichnungen nicht.«
    »Ich mag auch keine Horrorfilme«, sagte er .
    Dann schwiegen wir, ohne uns von der Stelle zu bewegen.
    »Die Anna ist tot, stimmts?«, sagte Peter zum Asphalt .
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    Nach einem weiteren Schweigen sagte Peter: »Ich weiß, wer sie ermordet hat.«
     
    Nichts von dem, was er mir anvertraute, stand in den Akten, weder in den subjektiv gefärbten Darstellungen Jagodas noch in den nüchternen Protokollen meiner Kollegen, wie sie von den Zeitungen wiedergegeben worden waren. Und vielleicht gehörte das, was Peter mir sagte, tatsächlich nicht in die Dokumente einer Ermittlung, zu verworren und beliebig wirkten seine Begründungen, zu durchschaubar gleichzeitig seine Motive .
    Er hielt Annas Vater für den Mörder, warf ihm vor, seine Tochter in der Schule ungerecht und schlechter als andere Kinder behandelt, sie ständig unter Druck gesetzt und nie gelobt zu haben. Auch ihm, Peter, würde Jagoda im Zweifel immer die schlechtere Note geben, nur deshalb, weil er sich weniger meldete als andere, weniger auf sich aufmerksam machte, weniger redete und weniger nett war. Peter behauptete, Anna habe oft im Unterricht geweint, aber so, dass niemand es merkte, vor allem nicht ihr Vater. Sie sei nie gern in die Schule gegangen. Und die Ferien seien das Schlimmste für sie gewesen, weil sie jeden Tag zwei Stunden hätte lernen müssen, Mathematik, Heimat- und Sachkunde und Deutsch vor allem, und jede Woche habe sie ein Buch lesen müssen. Das empörte Peter am meisten: dass Jagoda seine Tochter zwang, Bücher zu lesen. Er, Peter,

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