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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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preiswert, und die haben ganz gut gekocht, ich war dauernd dort, mit Kommilitonen, zum Biertrinken und Reden, auch Johann war da manchmal Gast, bis der Wirt ihn rausgeschmissen hat …«
    Einen kurzen Augenblick zögerte sie, dann sprach sie vorsichtig weiter.
    »Und ich bin wirklich da hin und hab mir einen Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut bestellt, und vorher hab ich noch eine frische Breze gegessen. Mittags um zwölf. Die Studenten, die da waren, haben mir zugeschaut, ein paar haben mich gekannt, und sie wollten, dass ich mich zu ihnen setz. Aber ich wollt lieber allein sitzen. Ich hab mir das so eingebildet. Also hab ich mich an den Tisch direkt unter dem Tresen in der Mitte der Kneipe gesetzt und hab gemampft wie total ausgehungert. Und natürlich hab ich ein Bier dazu getrunken, erst hab ich eine Apfelschorle bestellt, aber dann hab ich gedacht, das ist ja eine Sünde, Apfelschorle zum Schweinsbraten, und der junge Kellner war so nett und hat die Bestellung geändert. Da war ich froh. Ich hab alles aufgegessen. Ich glaub, ich kann heut noch das Fleisch schmecken, und die Gewürze, den Kümmel, ehrlich …«
    Ich hörte ihr zu, wie sie mit einem Mal sprechen konnte .
    Die Kerze flackerte nicht mehr, und ich beugte mich zu deiner Mutter hin, wie Paul Weber es am Nachmittag getan hatte.
    »Und dann …« Meine Bewegung verunsicherte sie kurz .
    »Dann hab ich gedacht, jetzt sitz ich hier und bin schwanger und hab dieses wunderbare Essen in mir und wer weiß, vielleicht hat mein winziges Baby daran geleckt und kriegt einen Gusto, und ich treib es einfach ab, das darf nicht sein, hab ich gedacht und mir gleich noch ein Bier bestellt. Ich war schon leicht angedüdelt, ich hab noch nie viel getrunken. Trotz des üppigen Essens hab ich den Alkohol gespürt, deswegen hatte ich ja auch solche Gedanken, die sind ja total abgedreht. Aber das war die Entscheidung. Beim ›Atzinger‹ in der Schellingstraße hab ich beschlossen, mein Kind zu kriegen, und ich hab die Entscheidung nie bereut. Und jetzt ist Lili verschwunden.«
    Sie lehnte den Kopf an die Wand, außerhalb des Lichtscheins .
    Wir schwiegen.
    Deine Mutter schloss die Augen. Ihre Hände hatte sie in den Schoß gelegt und unter dem Pullover versteckt .
    »Wissen Sie, was seltsam ist?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Nein«, sagte ich .
    »Dass Johann ihr nicht gesagt hat, dass er ihr Vater ist.«
    Es kam nicht oft vor, dass ich glaubte, mich verhört zu haben.
    »Bitte?«, sagte ich.
    »Er hätte es ihr doch sagen können«, sagte deine Mutter .
    »Sie sind doch Freunde. Haben Sie erzählt.«
    »Er wusste Bescheid?« Ich strich mir mit der flachen Hand übers Gesicht.
    »Ich hab gedacht, wenn ich es ihr sag, muss er es auch erfahren. Ich wusste doch nicht, dass sie sich treffen. Das wusste ich doch nicht! Das hat sie mir verschwiegen . Wenn ich das gewusst hätt … Was bedeutet das denn? Wieso sagt er ihr nicht, dass sie … dass ich bei ihm war und … wieso sagt sie ihm nicht … Was … Was …«
    »Wann haben Sie es ihm gesagt?«, fragte ich .
    »Vor ein paar Wochen, Anfang Oktober, am ersten oder zweiten Oktober.«
    Seit dieser Zeit war Johann Farak verschwunden .
    »Und warum haben Sie Ihrer Tochter nichts davon gesagt?«
    Sie beugte sich über den Tisch. »Hab ich doch versucht!«, sagte sie, und ich sah ihr an, wie die Schmerzen zurückkamen. »Hab ich doch wirklich versucht! Aber sie hört doch nicht mehr zu, sie kapselt sich ab, sie geht morgens weg und kommt nachts wieder und dann will sie nicht sprechen und zuhören auch nicht. Ich hab schon überlegt, ihr einen Brief zu schreiben, alberne Idee. Ich wollt ihr sagen, dass ich bei Johann war und dann … dann hatt ich irgendwie Angst, sie könnte böse werden deswegen … Warum hat er nichts zu ihr gesagt? Warum? Warum?«
    Ich stand auf. »Möglicherweise ging er vorher weg. Bevor er es ihr sagen konnte.«
    »Warum?«, fragte sie. »Warum denn ist er weg?«
    Ich wünschte, ich könnte dir diese Frage vollkommen beantworten, Liane.

13
    S ie hatte ihm einen Zettel in den Briefkasten geworfen, weil sie ihn selbst nicht angetroffen hatte. Natürlich nicht. Und sein Telefon funktionierte nicht. Sie hinterließ ihm ihre Nummer. Noch am selben Abend rief er an. Sie merkte, dass er angetrunken war, nichts anderes hatte sie erwartet. Er redete drauflos, was sie wütend machte, und sie musste dreimal ansetzen, bis sie ihn dazu brachte, ihr zuzuhören.
    »Ich möchte dir was sagen, vielleicht ist es

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