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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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und er, der Vater …«, begann Freya. »Ist er … ist er gefährdet, was meinen Sie, werden wir ihn schnell finden?« Mit der Aktentasche unter dem Arm hüpfte sie auf und ab und lächelte verschämt.
    Ich sagte: »Ich muss noch einmal mit Eva Woelk sprechen.«
    Seinem Blick nach zu urteilen, der unter seinen buschigen Augenbrauen wirkte, als würden sie ihn verdunkeln, erfüllte Weber meine Ankündigung mit enormem Groll .
    »Wozu denn?«, blaffte er und hielt im Hin- und Hertreten abrupt inne. »Wir haben alles erledigt, du hättest vorhin mit ihr sprechen können! Warum hast du das nicht getan? Warum bist du überhaupt hier? Was hat das Mädchen im Park erzählt? Du hast der Mutter doch alles verschwiegen! Mir kannst du nichts vormachen! Und ihr auch nicht. Sie hat gemerkt, dass du mehr weißt, als du zugibst. Das hat sie genau gemerkt!«
    »Ich auch«, sagte Freya leise und schüchtern mit einem schnellen Lächeln, das ich sofort hübsch fand .
    »Sie sollte es merken«, sagte ich.
    »Und was hat es dir erzählt, das Mädchen, was?«
    Es gelang ihm nicht länger, seinen inneren Tumult zu kontrollieren, die widersprüchlichen Stimmungen, die ihn in kürzesten Abständen schüttelten wie einen Baum im Sturm.
    »Du bist wieder nur mit dir beschäftigt!«, sagte er und schrie fast. Stumm vor Sorge drückte Freya die Mappe an sich. »Du hast uns einfach reden lassen, das geht so nicht, Tabor! Das ist unkollegial! Wir haben uns bemüht, Frau Epp und ich, wir haben uns Mühe gegeben, die Frau zu beruhigen und ihr zu helfen. Hast du nicht gesehen, wie sie aussieht? Die ist zerstört! Die realisiert doch gar nicht, was um sie herum geschieht, die braucht einen Arzt, und jetzt ist auch noch ihre Tochter verschwunden, die ganze Welt kracht über ihr zusammen. Und du? Und du?«
    Passanten traten vom Bürgersteig auf die Straße und gingen in einem Bogen langsam an uns vorbei. Für Weber bewegten sie sich auf der anderen Seite der Erde. Seine Stimme fegte über mich hinweg .
    »Du kommst, stellst dich hin und schweigst! Schweig du nur, schweig! Das kannst du, das weiß ich, du bist der beste Schweiger im Dezernat, wahrscheinlich der beste in der Stadt! Schweig du nur!«
    Einen Moment hielt er inne, . dann lehnte er seinen Oberkörper leicht nach hinten, sodass sich sein Kugelbauch unter dem Mantel spannte, und sein Kopf ruckte nach vorn. »Aber du musst wissen, wann du zu schweigen hast und wann nicht! Du musst kapieren, dass es Situationen gibt, in denen Worte wichtiger sind als Schweigen, das sind die Situationen, für die wir das Reden gelernt haben! In diesen Situationen ist es aus mit Zurückhaltung, verstehst du, Tabor, aus, aus! Da musst du was rauslassen aus dir, da nimmt dir niemand dein Stillsein ab, da kommt es drauf an, den Mund aufzumachen und sich zu trauen. Das nennt man dann Verständnis. Diese Frau … diese Frau Woelk, die hat darauf gewartet, dass du was sagst, die hat gesehen, dass du was weißt, und sie wollte, dass du es ihr sagst. Dass du den Mund aufbringst. Aber du? Du hast ihn nicht aufgebracht. Natürlich nicht! Ich kenne dich! Wenn du nicht willst, willst du nicht, und niemand versteht, wieso du nicht willst. Niemand versteht das, und das ist dir gerade recht. Diese Frau … diese Frau Woelk, die hätte dich gebraucht vorhin, du hast mit ihrer Tochter gesprochen! Du bist der einzige Mensch, den sie kennt, mit dem ihre Tochter gesprochen hat, und da gehst du her und hältst einfach den Mund? Das traust du dich? Woher nimmst du diese Haltung? Das ist doch eine Verletzung! Noch eine Verletzung für diese Frau … diese Frau Woelk, und die hat schon genug, die hat genug, du hast sie gesehen, wir haben sie alle drei gesehen. Aber du … du hast bloß … du hast …«
    Er steckte die Hände in die Manteltaschen und sah zu den Fußgängern hinüber, die stehen geblieben waren und ihm zuhörten. Er schien ihre Anwesenheit sofort wieder zu vergessen.
    »Warum …« Er nahm die rechte Hand aus der Tasche und wischte sich über die Stirn. »Warum warst du so? Die Frau … Sag du auch was, Freya!«
    Freya war so verblüfft, dass sie kicherte .
    Bevor sie ein Wort herausbrachte, sagte ich: »Ich hatte vor, noch einmal zu ihr zu gehen. Jetzt sofort.«
    Er steckte die Hand wieder in die Tasche und schwieg .
    Bewegte sich nicht, schwieg einfach. Die Leute gafften herüber. Freya klapperte vor Kälte mit den Zähnen, sie versuchte es zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht.
    »Ich komme später ins

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