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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Psychologe, sie wollten in die Wohnung rein, hab ich nicht zugelassen. Haben sie die Polizei geholt. Große Show für die Nachbarn. Ich lass mich doch nicht verarschen, ich bin doch hier nicht der Asi, der seine Kinder in die Kühltruhe steckt.«
    Er trank sein Bier, stellte das Glas auf den Bierdeckel, betrachtete es lange.
    Ein junges Paar kam herein, mit dem Geruch nach Glühwein und gegrilltem Fleisch im Schlepptau. Sie küssten sich und setzten sich an einen Tisch im Halbdunkel.
    »Also«, sagte Richter und klopfte mit beiden Händen auf seinen Mantel. »Seh ich aus wie der Asi? Prügel ich meine Kinder tot? Bescheiß ich den Staat? Hinterzieh ich Steuern? Mach ich so was? Wenn ich damit Steuern sparen könnt, würd ich meine Fürze lochen und abheften und ans Finanzamt schicken, das garantier ich Ihnen. Aber ich tricks niemand billig aus. Ist das gut angekommen bei Ihnen da oben? Und wenn ich Ihnen sag, der Adrian schafft das schon, dann schafft er das auch. Fragen Sie seine Mutter, wenn Sie wissen wollen, wo er ist, die weiß das, garantiert. Die kennt den Jungen auswendig, die hat seine Tricks alle schon erlebt. Fragen Sie sie.«
    »Ich habe Ihre Frau gefragt. Ihr ist das Verschwinden von Adrian genauso gleichgültig wie Ihnen.«
    Richter schniefte. »Ist schon klar: Weihnachten ist, da sitzt die Moral locker. Wofür werden Sie eigentlich bezahlt? Für solche Bemerkungen? Wenn Sie meinen Sohn suchen sollen, suchen Sie ihn. Auf geht’s. Hurtig ans Werk!«
    »Sie haben mir am Telefon gesagt, er wäre bei Ihnen.«
    »War er ja auch.«
    »Wann?«
    »Nicht persönlich natürlich.«
    Süden stand da, mit einer Hand am Bierglas, nach außen hin ein gewöhnlicher Zuhörer, im Innern eine Wutmaschine.
    »Unpersönlich«, sagte er.
    »So ist es. Er hat mir ein Foto von sich auf dem Handy geschickt, aktuell, vor zwei oder drei Stunden. Es geht ihm gut. Ich zeig Ihnen das Foto, damit Sie sich entspannen können.« Er holte sein Handy aus der Manteltasche, klappte es auf, tippte. Dann hielt er Süden das Bild hin. »Das ist er. ›Das bin ich‹, hat er geschrieben, hier steht’s. ›Serwus, Adi‹. Zufrieden jetzt?«
    Er steckte das Handy wieder ein.
    »Er ist aus dem Zeno-Haus weggelaufen«, wiederholte Süden und wunderte sich über seine ruhige Stimme. »Er ist vielleicht in Gefahr, vielleicht will er sich etwas antun.«
    »Dass Sie das nicht begreifen!« Richter hob sein Glas in Richtung Barkeeper, der auf einem kleinen Fernseher ein Basketballspiel verfolgte. »Der will sich nichts antun, der Adrian, der will
uns
was antun, seiner Mutter, mir. Der beruhigt sich schon wieder. Jetzt trinken Sie noch ein Bier und dann erklären Sie den Frauen in dem Haus, dass sie wieder runterkommen sollen von ihrer Psychotour. Mein Gott. Ronny, noch mal ein Gedeck für mich und ein Helles für den Herrn.«
    »Für mich nichts mehr«, sagte Süden, und zu Richter: »Wer ist Nils?«
    »Der kleine Nils? Das ist der Telefonschreck aus dem Radio, wieso?«
    »Ich meine den Freund Ihrer Frau.«
    Richter drehte den Kopf, sah Süden mit einem Blick an, den der Detektiv so polar fand wie den von Hannah Richter. Er bewegte langsam den Unterkiefer hin und her, bis Ronny das Bier und den Fernet auf den Tresen stellte. »Ich kenn keinen Freund meiner Frau«, sagte er.
    »Bringen Sie mir doch noch ein Bier«, sagte Süden, und Ronny nickte zufrieden.
     
    Jetzt, da es dunkel geworden war, hätte Adrian sich gern in den Schnee gelegt wie in ein weißes Bett, den Gängsta an sich gedrückt, die Augen geschlossen und von Milchreis mit Zimt und Zucker geträumt, so wie ihn sein Opa immer gemacht hatte. Sein Opa war der beste Milchreiskocher in der ganzen Sedanstraße und Haidhausen.
    Adrian hörte seinen Magen knurren, es klang, als säße ein kleiner Hund in seinem Bauch, der nicht rausdurfte. Durstig war er auch, aber genug zu trinken hatte er noch, bloß nichts mehr zu essen.
    Als er wieder eine SMS an Fanny schrieb, zitterten seine Finger.

[home]
    8
    E igentlich sah er keinen Sinn darin, ihm die Nachricht zu zeigen. Dann tat er es doch. Ludwig Richter beugte sich über das Handy, das Süden ihm hinhielt, und verzog das Gesicht, bevor er sich wieder seinem Bierglas zuwandte und in dumpfes Schweigen verfiel – wie schon in den vergangenen zehn Minuten.
    Adrian hatte geschrieben:
ich mus was essen oder ich stirb gleich. Adi.
    Die Frage, die Süden umtrieb, hing im Moment nicht mit dem möglichen Aufenthaltsort und der körperlichen Verfassung des

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