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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wohlmeinenden Erzieherinnen, gängeln zu lassen.
    In diesem Augenblick erinnerte sich Süden an eine Bemerkung von Hannah Richter, verwundert, dass er gerade jetzt darauf kam. Sie hatte einen Polizisten erwähnt, an dessen Seite ihr Sohn öfter durchs Viertel gezogen war, wie ein Verbündeter im Kampf gegen die Missetäter des Alltags.
    In seinen Aufzeichnungen musste Süden nicht lange suchen: Gregor Berghof, Rablstraße. Dieser Mann schien ein enger Freund des Jungen zu sein. Süden fragte Adrians Vater nach dem Polizisten, nachdem Richter wieder auf dem Barhocker Platz genommen hatte, umweht von kaltem Rauch.
     
    »Der Bulle ist ein Säufer.« Richter trank einen Schluck Bier und schmatzte. »So wie wir, bloß verbeamtet. Hab den lang nicht mehr gesehen, interessiert mich auch nicht.«
    »Adrian war viel mit ihm zusammen.«
    »Das hab ich ihm sauber verboten. Wer weiß, was der dem Buben einredet oder sonst mit dem anstellt. Der Adrian kann sich wehren, das wissen wir ja, aber so ein ausgeschlafener Bulle kennt alle Tricks. Den können Sie von der Liste streichen.«
    »Der Freund Ihrer Frau, Nils«, sagte Süden. »Sie kennen ihn nicht, Sie wissen nicht, wer das ist.«
    »Ihre Andeutungen gefallen mir nicht. Reden Sie Klartext, oder muss ich nachhelfen?«
    »Nachhelfen ist nie verkehrt.«
    Richter ruckte mit dem Kopf. Er zog die Stirn in Falten und machte ein erstauntes Gesicht. Sein Grinsen wirkte fast fröhlich. »Sind wir heut provokant? Haben Sie das Bedürfnis nach einem weihnachtlichen Wunder? Und auf ein Wunder läuft das raus, wenn ich nachhelf, darauf können Sie Ihre grünen Augen verwetten. Sie behaupten, meine Frau hat einen anderen, das ist das, was Sie sagen wollen. Und wieso sagen Sie das nicht? Wieso diese Rumschmiererei? Nils! Ob ich einen Nils kenne. Wenn ich einen kennen würd, würd ich’s zugeben und Ihnen verraten, in welchem Krankenhaus der grade ein Wunder auskuriert. So weit verstanden?«
    »Sehr gut«, sagte Süden. »Wenn ich Ihren Sohn bis heute am späteren Abend nicht finde, schalte ich die Kripo ein, die meldet sich dann bei Ihnen.« Er winkte dem Barkeeper. »Zahlen, bitte.«
    Bevor er die Bewegung wahrnahm, hörte er einen rasselnden Atemzug und machte einen Schritt zur Seite. Richters Arm traf das leere Bierglas, schnellte durch die Luft, und der Schwung riss den Mann vom Hocker. Er taumelte, trat auf die Scherben, blickte irritiert zu Boden. Während Richter zu einem zweiten Schlag ausholte, umklammerte Ronny, der Barkeeper, ihn von hinten, bog seine Arme auf den Rücken und drückte ihn gegen den Tresen. Richter schrie auf und schnappte nach Luft.
    »Zahlen und raus«, sagte Ronny. Er wartete einen Moment, dann ließ er ihn los. »Sechs vierzig«, sagte er zu Süden.
    Mit der einen Hand hielt Richter sich am Tresen fest, mit der anderen nestelte er in der Innentasche seines Mantels. Spucke lief ihm aus dem Mund.
    »Ich rufe Sie wieder an«, sagte Süden. Er steckte das Wechselgeld ein und verließ das »Carlos«.
    Über der Pariser Straße hing ein leuchtender Stern. Winzige Schneeflocken tanzten im Schein des elektrischen Lichts. Auf seinem Weg die Straße hinunter, vorbei an Geschäften und einem eingeschneiten Kinderspielplatz, sah Süden kein einziges unbeleuchtetes Fenster.
     
    Die Rablstraße lag nur wenige hundert Meter vom »Carlos« entfernt, südlich der vielbefahrenen Rosenheimer Straße, die von Haidhausen bis zur Salzburger Autobahn führte.
    Von unterwegs rief Süden im Baumarkt Aberle an, um sich nach einem Mitarbeiter mit dem Namen Nils zu erkundigen, was ihm nach einer längeren Geduldsprobe auch gelang. Nils Steinfeger war als Lagerarbeiter angestellt und hatte, wie er als Erstes erklärte, null Zeit. Zwei Tage vor Weihnachten herrschte, wie Süden sich wahrscheinlich denken könne, »absoluter Wahnsinnsbetrieb«. Außerdem sei gleich Ladenschluss und die »Leute von Haus aus genervt«. Vom zehnjährigen Adrian habe er nichts gehört, er kenne den Jungen »praktisch nicht«.
    Ob er heute Kontakt mit Hannah Richter gehabt habe, wollte Süden von Steinfeger wissen und erhielt zur Antwort, dass er grundsätzlich mit fremden Leuten nicht über sein Privatleben rede. Jeden seiner Sätze beendete er mit der Bemerkung: »Sonst noch was?«
    Nachdem Süden ihm verdeutlicht hatte, dass er, wenn er im Zusammenhang mit einem verschwundenen Kind weiter die Aussage verweigerte, schneller unter Verdacht geriet, als er eine Mutter auf eine Schraube drehen konnte, rückte

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