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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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jetzt?«, fragte Fanny, die wie auf der Hinfahrt hinter dem Fahrer saß.
    »Leihst du mir kurz dein Handy?« Süden fror ein wenig und hatte Hunger und begann, sich Sorgen zu machen. Fanny druckste herum.
    »Hast du kein eigenes?«
    »Doch, das liegt bei mir daheim.«
    »Blöd fei.«
    Süden legte seine linke Hand neben sich, die Innenfläche nach oben. Fanny sah eine Weile hin. Dann zog sie das Handy aus ihrem Anorak und plazierte es schräg auf Südens Hand. Auf seinem kleinen karierten Block, den er schon als Hauptkommissar immer bei sich getragen hatte, hatte er mehrere Telefonnummern notiert, auch die von Ludwig Richter.
    »Tabor Süden, Detektei Liebergesell, ich muss mit Ihnen sprechen, Herr Richter.« Am anderen Ende schallte Schlagermusik, im Hintergrund verzerrte Stimmen.
    »Dann mal los«, sagte Richter mit schwerer Zunge.
    »Ich bin auf der Suche nach Ihrem Sohn, im Auftrag der Leiterin des Sankt-Zeno-Hauses.« Keine Antwort. Er wartete. Gläser klirrten, eine Frauenstimme rief: »Rudi, reiß dich endlich zusammen.«
    Sie fuhren den Giesinger Berg hinauf, auf schneebedeckter Straße.
    »Herr Richter.«
    »Da bin ich. Sie suchen meinen Sohn, sehr gut.«
    »Haben Sie im Zeno-Haus angerufen?«
    »Nein.«
    »Sie wundern sich nicht, dass ich nach Ihrem Sohn suche.«
    »Wundern hab ich aufgehört, schon letzte Ostern. Mein Sohn? Mein Sohn ist hier, hier neben mir.«
    »Ich will mit ihm sprechen.«
    »Kommen Sie her.«
    »Wo sind Sie?«
    »Und tschüss.« Richter kappte die Verbindung.
    »Was ist?«, fragte Fanny und sah Süden zu, wie er eine SMS tippte. Auch die Nummer von Karla Tegels Handy stand auf seinem Block.
    Lieber Adrian, bist du bei deinem Vater? Liebe Grüße: Süden.
    »Der antwortet dir nicht«, sagte Fanny.
    Süden hielt das Telefon weiter in der Hand. Als sie am Grünwalder Stadion vorbeifuhren, erklang der Nachrichtenton.
    Stimt genau süden.
    Über Fannys Gesicht huschte ein Lächeln, das Süden nicht bemerkte, weil er den Blick nicht vom Display brachte.

[home]
    7
    N achdem er das Mädchen ins Zeno-Haus zurückgebracht hatte, machte Süden sich zu Fuß auf den Weg. Bei der Verabschiedung im Flur stand Fanny hinter den Erzieherinnen Karla und Yasmin, mit verschränkten Armen und grimmigem Blick. Die Müdigkeit tropfte ihr fast aus den Augen, aber ihr Entschluss, kein Wort mehr zu sagen, trotz des eindringlichen und strengen Bittens von Ines Hermann, schien unverrückbar.
    Wenn die Therapeutin nicht unter der Androhung, ihr für die nächste Zeit das Telefonieren zu verbieten, Fanny zur Herausgabe des Handys gezwungen hätte, wäre Süden machtlos gewesen. Seine einzige Chance, den Jungen zu finden, war, mit ihm über SMS in Kontakt zu bleiben. Fanny wusste das und spielte mit ihrem Wissen, und die Erwachsenen um sie herum hatten noch immer keine Ahnung, was eigentlich gespielt wurde.
    Vielleicht, dachte Süden, als er auf die Stichstraße mit den einstöckigen Häusern und den Straßenlaternen hinaustrat, war auch Fanny nicht klar, was Adrian mit seiner Aktion in Wahrheit bezweckte. Vielleicht half sie ihm aus Abenteuerlust oder weil sein Mut ihr imponierte, weil sie den Erzieherinnen etwas heimzahlen oder einfach, weil sie auf geheimnisvolle Weise im Mittelpunkt stehen wollte.
    Diese Vorstellung ermutigte Süden auf seiner vagen Spurensuche. Jemand, der einen Ausreißer deckte und dessen Motive kannte, würde ihm unter allen Umständen helfen wollen. Und wenn er begriff, dass der andere einer echten Gefahr ausgesetzt war, würde er reden, etwas anderes blieb ihm nicht übrig, um weiter ernst genommen zu werden. Darüber, ob Adrian in echter Gefahr schwebte, rätselte Süden nach wie vor.
    Bevor er sich vom St.-Zeno-Weg 7 zu dem Durchgang umwandte, der zur Grünwalder Straße führte, bemerkte er im schneeigen Licht des Spätnachmittags in der Ferne den goldenen Zwiebelturm der ukrainisch-katholischen Kirche. Sie erschien ihm seltsam nah, dabei hätte er mindestens eine Stunde gebraucht, um sie zu erreichen.
    Vor einem gelben Haus hingen zwei Basketballkörbe, vor allen Häusern parkten Autos. Obwohl er fest entschlossen gewesen war, den Weg bis nach Haidhausen zu laufen, stieg er am Wettersteinplatz in die aus Grünwald kommende 25er Tram und fuhr durch die Tegernseer Landstraße, vorbei an der Westmauer des Ostfriedhofs, über den Rosenheimer Platz zur Wörthstraße.
    Mit der Straßenbahn durch die Stadt zu reisen, empfand er schon als Jugendlicher, wenn er mit seinem Freund Martin am

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