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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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und dann liegt da eine neue Straße, und man braucht bloß loszugehen. Wohin denn?
    Enzo hat gleich was gemerkt und er fand unsere Überlegungen komisch. Er hat uns nie ausgenutzt oder dumme Sachen von uns verlangt, er war fast so etwas wie ein Freund. Aber ernst genommen hat er uns nicht. Nur unsere Arbeit. Er hat geahnt, dass wir manchmal miteinander über Dinge sprechen, von denen er nichts versteht, zum Beispiel über die Sehnsucht oder über unsere Väter, er dachte dann, wir wollten die alte Zeit zurückhaben. Das wollten wir nicht. Wenn wir von früher gesprochen haben, dann um die Zeit totzuschlagen und nicht, weil wir uns was wünschten.
    Und jetzt bin ich Wirtin und muss mich um Vorräte kümmern, um den Druck in den Kohlensäureflaschen, um die Bestimmungen des Gesundheitsamtes, jedenfalls um andere als früher, um die täglichen Einkäufe, um die Sperrstunde.
    Seit einem Monat haben wir geöffnet, und ich kann sagen, ich bin ein zufriedener Mensch. Davor war ich nicht unzufrieden, ich habe mir nur keine Gedanken gemacht, ich habe funktioniert, jetzt lebe ich. Ich arbeite achtzehn Stunden am Tag, rumsitzen gibt’s nicht mehr. Doch als wir heute Nacht das Lokal verlassen haben und Iris absperrte und ich Luis zuwinkte, der in seinem Taxi schon auf uns wartete, bin ich getaumelt aus lauter Übermut. Iris dachte schon, ich hätte heimlich getrunken. Seit dem Tag unserer Eröffnung am ersten Februar habe ich keinen Tropfen getrunken. Heute Morgen fing es auf einmal an zu schneien, und am Nachmittag schneite es immer noch ohne Unterlass. Und da kam Iris auf die Idee, dass wir dringend eine Schneeschaufel brauchen. Daran hatten wir nicht gedacht. Also fuhr ich zu einem Geschäft und kaufte eine Schaufel. Und dann habe ich den ganzen Schnee vor unserer Tür weggeschippt, und es schneite immer weiter, und ich hatte so ein Vergnügen.
    Das war dann auch das erste Mal seit langer Zeit, dass ich wieder an meinen Vater denken musste, und diese Erinnerung war leicht, und ich hatte keine Angst, in ihr zu ertrinken.
    Vom Umsatz her war der Tag eine Zwei: vierzehn Gäste über den Tag verteilt, auch wenn einige ganz ordentlich tranken, Iris hat nur einen einzigen Teller ihrer selbst gemachten Gulaschsuppe verkauft, und die Würste, die wir eingekauft haben, gingen auch nicht weg. Iris sagt, irgendwann brauchen wir eine Zehn, sonst kriegen wir Ärger mit der Brauerei. Notfalls muss Paulus für uns in die Bresche springen.
    Ich bin mir sicher, er will Iris immer noch heiraten, hoffentlich bleibt sie standhaft. Garantiert würde er sie dann bitten, den Kneipenjob hinzuschmeißen, und ich würde allein dastehen.
    Ich will nicht allein dastehen. Es gefällt mir, mit jemand zusammen eine Verantwortung zu haben, am Morgen zu wissen, man hat mit dem anderen was Wichtiges zu tun und ohne den klappt nichts.
    Heiraten möchte ich trotzdem nicht.«

    Wenn ich einen Mann hätte, wäre ich jetzt nicht hier, sagte sie im Stillen zu sich, als würde sie schreiben. An Händen und Füßen war sie gefesselt.
    Sie lag in der Badewanne, auf Decken gebettet, zugedeckt mit ihrem Mantel. Schilff hatte Ariane mit Paketschnur gefesselt. Das Seil an ihren Beinen war gerade so lang, dass sie mühsam aufstehen, aufs Klo gehen und sich trotz der Fesseln notdürftig waschen konnte. Aus dem Schlafzimmer nebenan hatte er Handtücher geholt. Die Tür, die keinen Riegel, sondern einen Schlüssel hatte, war von außen abgesperrt. Außerdem hatte er einen Sessel davorgestellt.
    Sie hatte es beinah bequem. Aber sie fror. Fror.
    Und sie hatte fast keine Angst. Sie lag da und erwartete nichts. Dass sie mit sich selber sprach im Stillen, war ihr nicht bewusst. Der Schock hatte sie in einen schwarzen Zustand versetzt.
    Wenn ich einen Mann hätte, wäre alles anders, sagte sie zu sich. Und für Sekunden glaubte sie eine Stimme zu hören.
    Nach drei Stunden, während sie stumm dalag, schreckte sie hoch. Bäumte sich auf. Und in ihrem Körper breitete sich ein dumpfer, qualvoller Lautklumpen aus, ein Schrei, der ihr in der Kehle stecken blieb. Ariane prustete so heftig, dass dicker Schleim aus ihrer Nase spritzte und sich ihre Augen mit Wasser füllten, als würden die Stirnhöhlen überfluten.
    Dann musste sie husten. Ihre Brust vibrierte. Ihr Bauch blähte sich. Je länger und heftiger sie hustete, desto tiefer drangen die Schnüre in ihre Haut. Und ihr Bewusstsein kehrte zurück.
    Und als sie begriff, was mit ihr geschehen war, lehnte sie sich an den Wannenrand

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