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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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anscheinend hört die öfter Männerstimmen …«
    »Und die übrigen Hausbewohner?«, fragte Sonja.
    Sie befanden sich in ihrem Büro.
    Zwei Zimmer weiter wartete Schilff auf seine Vernehmung, Tabor Süden saß bei ihm.
    »Nichts«, sagte Weber. »Sie waren alle zu Hause, niemand hat Niklas Schilff gesehen.«
    »Und in dem Haus gegenüber?«
    »Wir haben mehrere Leute befragt«, sagte Freya, »im ersten Stock … also in dem Haus drüben, im ersten Stock: keine Beobachtung, im zweiten: keine Beobachtung. Der war nicht da …«
    »Aber es gibt Spuren von ihm.«
    Zunächst befragten sie Schilff nur zu zweit. Nach einer Stunde kamen Weber und Freya Epp hinzu und wechselten sich mit Süden und Sonja ab. Die riefen währenddessen in den Bars an, in denen Schilff nach eigener Aussage in der Nacht zum Mittwoch gewesen war. Offensichtlich hatte er nicht gelogen. Für die Zeit zwischen etwa ein Uhr nachts und elf Uhr vormittags am Donnerstag hatte er allerdings keine Zeugen. Er sagte, er sei gegen drei Uhr nachts in die »Pension Odetta« zurückgekommen und habe seinen Rausch ausgeschlafen. Einen Nachtportier gab es nicht. Der Wirt oder dessen Bruder kamen immer erst gegen sechs Uhr morgens, um das Frühstück vorzubereiten. Wo er sich bis drei Uhr herumgetrieben hatte, konnte Schilff nicht sagen. Er sei durch die Nacht gelaufen, irgendwo. Er kenne sich, sagte er, in dieser Stadt nicht mehr aus.
    »Er war in der Küche und im Schlafzimmer«, sagte Sonja zu Süden. Sie hatten Pause und tranken Kaffee.
    »Wir müssen das verschwundene Bettzeug finden«, sagte Süden. Vergeblich hatten seine Kollegen die Wohnung und den Wäscheraum im Keller abgesucht und die Mülleimer im Hinterhof kontrolliert.
    »Ein Zeuge wär besser«, sagte Sonja.
    »Wir werden ihn beschatten.«
    »Mit welchem Recht?«
    »Mit keinem«, sagte Süden.
    Eineinhalb Stunden später entließen sie Schilff.

    Er ging in Richtung Schillerstraße, von wo aus er fünf Minuten bis zur »Pension Odetta« brauchte.
    In seinem Zimmer war es eiskalt. Er hatte vergessen, das Fenster zu schließen. Wie spät war es? Die verdammte Uhr war weg. Die hab ich verloren, ich hab die verloren, ich hab die Uhr verloren, die ich für ein Scheißgeld in L.A. gekauft hab.
    Vorhin an der frischen Luft war ihm schwindlig geworden. Er war nah an der Hauswand geblieben, damit er bloß die Hand auszustrecken brauchte und …
    Bevor er irgendwo hinfassen konnte, lag er schon auf dem Bett. Er hatte die Balance verloren. Und nicht einmal gemerkt, dass sich das Zimmer um ihn drehte. Er musste würgen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich aufzurichten. Er hatte das Gefühl, immer tiefer in das weiche Bett zu sinken. Er wollte da raus. Seine Hände krallten sich in das Laken. Auf dem Flur waren Schritte zu hören. Nebenan wohnte doch niemand. Oder war jemand eingezogen in seiner Abwesenheit?
    Endlich gelang es ihm, den Mantel abzustreifen. Der rutschte auf den Boden. Schilff lauschte dem Geräusch, als würde es ihn an etwas erinnern.
    Die Erinnerungen mussten vernichtet werden. Und das lag alles an ihm. An mir. Ich bin der Handelnde. Was ich will, das geschieht. Geschieht! Geschieht jetzt!
    Mit einem Ruck schwang er die Beine aus dem Bett. Er wartete. Dann stellte er sich aufrecht hin. Blutete sein Bauch noch? Vorsichtig zog er den Pullover und das Unterhemd hoch. Er konnte nichts sehen. Es war zu dunkel. Er hatte kein Licht gemacht. Und er brauchte keins.
    Er zog die Gardine beiseite. Und öffnete das Fenster. Musste grinsen. Kommt durch das offene Fenster mehr Licht rein als durch das geschlossene? An der Durchfahrt zum Hinterhof brannte eine Lampe, deren Licht keinen Meter weit fiel. Trotzdem betrachtete Schilff intensiv seinen Bauch. Zwei Pflaster hingen herunter. Er drückte sie wieder fest. Spuren getrockneten Blutes konnte er mit dem Finger fühlen.
    Er hob den Kopf. War da jemand in der Einfahrt? Er horchte. Vorne auf der Straße fuhren Autos vorüber. Aus einer Kneipe klang Musik. Er kniff die Augen zusammen. An der Mauer gegenüber seinem Zimmer, das im Erdgeschoss lag, standen Mülltonnen. Da steht doch jemand! Hey! Hey!
    Noch einmal blickte er angestrengt ins fahle Licht. Dann schloss er das Fenster. Sie hatten keine Ahnung. Er hatte sie ausgetrickst. Er war hier. Und sie waren draußen. Und am Montag früh um acht würde er von dem Arzt, bei dem er gestern den Test gemacht hatte, das negative Ergebnis erfahren. Und dann begann der Countdown.
    »Warum wollen Sie sich testen

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