Südlich der Grenze, westlich der Sonne
Zeit über an dich gedacht. Das ganze halbe Jahr lang. Sechs Monate, jeden Tag von morgens bis abends. Ich habe versucht, damit aufzuhören, aber ich konnte nicht. Am Ende bin ich zu einem Entschluss gekommen. Ich will nicht, dass du wieder fortgehst. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich will dich nicht noch einmal verlieren. Ich will die Worte ›eine Weile‹ nicht mehr hören, und ich hasse das Wort ›wahrscheinlich‹. Du sagst, wir könnten uns eine Weile nicht sehen, und dann verschwindest du. Aber wann du zurückkommst oder ob überhaupt, weiß niemand. Es gibt keine Sicherheit. Vielleicht kommst du eines Tages nie mehr zurück. Ich würde mein Leben beenden, ohne dich je wiedergesehen zu haben. Allein der Gedanke ist mir unerträglich. Mein ganzes Leben wäre sinnlos.«
Shimamoto sah mich schweigend an. Die ganze Zeit über umspielte dasselbe leichte Lächeln ihre Lippen. Das stille Lächeln, das durch nichts zu erschüttern war. Aus dem ich ihre Gefühle nicht ablesen konnte. Das mir nicht verriet, was sich dahinter verbergen mochte. Angesichts dieses Lächelns drohte ich einen Augenblick lang meine eigenen Gefühle aus den Augen zu verlieren. Ich wusste nicht mehr, wo ich war und wohin ich ging. Aber ich nahm mir die Zeit, um die richtigen Worte für das zu finden, was ich sagen wollte.
»Ich liebe dich«, sagte ich. »Das steht fest. Die Gefühle, die ich für dich hege, lassen sich mit nichts vergleichen. Sie sind etwas Besonderes, das ich nie wieder aufgeben werde. Immer wieder habe ich dich aus den Augen verloren, aber das darf nicht mehr geschehen. Es war falsch. Ich hätte es nicht zulassen sollen. Das habe ich in all den Monaten begriffen. Ich liebe dich wirklich. Ein Leben ohne dich kann ich nicht ertragen. Ich will nicht, dass du wieder gehst.«
Als ich zu Ende gesprochen hatte, schloss sie für einen Moment die Augen und schwieg. Der Ofen glühte, und Nat King Cole sang die alten Lieder. Ich hätte gern noch etwas hinzugefügt, aber mir fiel nicht mehr ein.
»Hajime«, sagte Shimamoto nach einer langen Pause. »Hör mir zu, denn das ist jetzt sehr wichtig. Wie ich dir bereits sagte, gibt es für mich keinen Mittelweg. Das bedeutet, du nimmst mich entweder ganz oder gar nicht. Es geht nur eins von beidem. Das ist das Grundprinzip. Wenn es dir nichts ausmacht, den gegenwärtigen Zustand fortzuführen, können wir das tun. Ich weiß zwar nicht, wie lange das funktioniert, aber ich werde mich bemühen. Ich werde zu dir kommen, wann immer ich kann. Aber wenn ich nicht kann, dann kann ich nicht. Ich kann nicht einfach kommen, wann es mir passt. Und sage ich dir ganz deutlich. Aber wenn dir das nicht gefällt und du nicht willst, dass ich wieder gehe, musst du mich ganz nehmen. Ganz und gar, mit allem, was dazu gehört. Und auch ich werde dich ganz nehmen. Verstehst du, was das bedeutet?«
»Ich verstehe das sehr gut«, sagte ich.
»Und du willst trotzdem wirklich mit mir zusammen sein?«
»Ich habe mich bereits entschieden, Shimamoto«, sagte ich. »Ich habe wieder und wieder darüber nachgedacht, während du fort warst.«
»Aber was wird aus deiner Frau und deinen Töchtern? Du liebst sie doch auch. Und willst für sie sorgen.«
»Ich liebe sie. Sehr sogar. Und ich will für sie sorgen. Du hast völlig recht. Aber ich weiß jetzt auch, dass das nicht genügt. Ich habe eine Familie und einen Beruf. Und mit beidem bin ich nicht unzufrieden. Bisher hat beides sehr gut funktioniert. Ich kann sogar sagen, dass ich glücklich war. Aber das allein genügt nicht. Das habe ich inzwischen erkannt. Seit ich dich vor ungefähr einem Jahr wiedergesehen habe, ist mir das immer klarer geworden. In meinem Leben fehlt etwas. Ich habe etwas verloren. Und danach hungere und dürste ich die ganze Zeit. Meine Frau kann dieses Verlangen nicht stillen und meine Kinder auch nicht. Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der das kann. Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich erfüllt. Es ist das erste Mal, dass ich diese Erfüllung empfinde. All die Jahre habe ich Hunger und Durst gelitten. Ich kann nicht mehr zurück.«
Shimamoto schlang die Arme um mich und lehnte sich an mich. Ihr Kopf lag an meiner Schulter. Ihr weicher, warmer Körper schmiegte sich an mich.
»Ich liebe dich auch, Hajime. Ich habe nie einen anderen geliebt. Ich glaube, du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe. Schon seit meinem zwölften Lebensjahr. In den Armen anderer Männer habe ich immer nur an dich gedacht. Deshalb wollte ich dich auch
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