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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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die er für seine Fotos wählt. Er hält sich bedeckt. Er wartet.
    Peter sieht sich die letzten Abzüge an. Marcellus hat eine Adresse darunter geschrieben, eine Straße in einem Kaff namens Meadville. Irgendwo in der Tiefe seines Stammhirns dämmert ihm die Erkenntnis. Und als er schließlich die Vergrößerung betrachtet, die Marcellus von seinem Ziel angefertigt hat, weiß er, wer der Mann ist. Ihm gefriert das Blut in den Adern. Unter diesem Bart, dieser körnigen Haut steckt das aufgedunsene Gesicht des ehemaligen Profoses Helliwell.
124
    Mit verbotener Geschwindigkeit rasen Wendy und Peter auf der Interstate 55 Richtung Jackson dahin. Blitze durchzucken die Nacht. Wendy seufzt, wenn die Reifen eine Wasserfontäne aufspritzen lassen. Im fahlen Licht entgegenkommender Scheinwerfer wirken Peters Gesichtszüge abgespannt. Wendy möchte reden, aber er wehrt sie ab; wann immer sie sich zu ihm dreht und den Mund aufmacht, um etwas zu sagen, schüttelt er nur stumm den Kopf. Er wendet den Blick nicht mehr von der Straße. Er denkt an Ezzie. Er ist nur noch ein harter Block aus Bedauern und Hass. Wendy streicht ihm wortlos über die Finger. Die klammern sich um das Lenkrad – wie kleine wütende Tiere kommen sie ihr vor. Sie weiß, dass sie im Begriff ist, die letzte Schlacht zu verlieren. Peter drückt mit der flachen Hand auf die Hupe, um einen Lastwagen zum Ausweichen zu zwingen. Er klebt an der Stoßstange des Wagens vor ihnen, dessen Bremslichter aufleuchten.
    »Vorsicht!«
    Aber Peter denkt nicht daran, langsamer zu werden. Wieder hupt er, lange, gehässig. Der Wagen gerät ins Schleudern und fängt sich im letzten Moment vor der Kollision mit der Leitplanke. Peter lässt die Hupe los und sieht Wendy mit einem hämischen Grinsen an, das ihr fremd ist. Er tritt aufs Gas, der Motor heult auf. Jetzt ist die Straße vor ihnen leer. Wendy lehnt sich mit dem Kopf ans Seitenfenster. In der Ferne funkeln die Lichter von Jackson.
    Als sie wieder aufwacht, steht der Wagen auf dem Parkplatz einer Raststation am Stadtrand von Jackson. Ferner Donner grollt. Peter sitzt auf der Motorhaube. Er hat seinen Mantel neben sich gelegt und raucht, einen Becher Kaffee in der Hand. Wendy steigt aus und geht zu ihm. Um ihn wenigstens zum Lächeln zu bringen, setzt sie seine Mütze auf und schlüpft in seinen Mantel. Sie zieht sich den Mützenschirm tief über die Augen, hakt die Daumen in den Gürtel und sagt: »Jackson hat einen Sheriff, Kleiner.«
    »Gib mir meinen Mantel zurück, Wen, ja?«
    »Ich bin Pat Garrett.«
    »Hab ich schon verstanden, Pat. Gibst du mir jetzt meinen Mantel zurück?«
    Wendy zuckt die Achseln. Erst jetzt, als sie den Mantel wieder auszieht, spürt sie etwas Schweres in der rechten Tasche. Sie greift hinein und ertastet den Kautschukgriff einer Pistole. Er fühlt sich kalt und ölig an. Sie schiebt die Mütze in den Nacken und starrt Peter an. Zwischen der Raststätte und einer grellbunt ausgeleuchteten Imbissbude ist ein Waffengeschäft, das rund um die Uhr geöffnet hat. Was man eben so braucht – Benzin, Hotdogs und Knarren.
    »Was hast du damit vor?«
    »Reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Um einen Fettsack wie Helliwell abzuknallen? Soll das ein Witz sein?«
    »Sie sind alle tot, Wendy. Meine Kinder, meine Frau, Ezzie und die anderen.«
    »Und wir?«
    »Was, wir?«
    Sein Tonfall ist eher wehmütig als abweisend. Er steigt wieder in den Wagen, zieht die Tür zu. Lässt den Motor an. Wendy folgt ihm. Sie legt den Sicherheitsgurt an.
    »Setz mich bitte am nächsten Flughafen ab«, sagt sie. »In Portland wartet ein bescheuertes Leben auf mich, aber lieber das, als dich im Todestrakt besuchen zu müssen.«
    »Ich brauch dich aber, Wendy.«
    »Du bist ein verdammter Idiot, dass du so was von mir verlangst, Peter Shepard!«
125
    Hinter dem Regenvorhang atmet der nahe Wald Dampfsäulen aus. Peter wischt die beschlagene Windschutzscheibe ab. Ohne Helliwells Haus aus den Augen zu lassen, zündet er sich eine Zigarette an. Er wohnt am Ortsrand von Meadville: ein verwildertes Rasenviereck mit einem Warnschild, demzufolge der Besitzer bewaffnet ist, ein wurmstichiger Holzzaun ringsum und in der Mitte eine hässliche Bruchbude mit Veranda. Direkt daneben ein Wellblechdach, unter dem ein reifenloser Pick-up steht. Auf der Veranda sitzen zwei Halbwüchsige, ein dickes Mädchen in Unterwäsche, das raucht, und ein Junge mit Latzhose, der Bier aus der Flasche trinkt. Hin und wieder reicht er die Flasche der Dicken. Sie

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