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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Stockhieb in den Nacken daran gehindert. Seitdem schläft der Riese.
    Peter versucht, seine Erinnerungen zu ordnen. Es sind eigentlich eher Eindrücke als klare Bilder. Wendy und er haben miteinander geschlafen – direkt nach der Ermordung des Reverends. Danach durchquerten sie ein letztes Mal das Refektorium und die Gemeinschaftsräume. Überall war Blut, überall lagen Leichen. Als sie am Quartier der Profose vorbeikamen und Peter sah, was die Verlorenen Jungs hier angerichtet hatten, riet er Wendy, den Blick abzuwenden, bis sie in die Halle kämen.
    Kurz bevor sie in den Hof hinaustraten, wo die anderen sich gegenseitig mit dem Wasserschlauch bespritzten, schlang Wendy die Arme um Peter und küsste ihn lange. Dann sagte sie: »Jetzt werden sie uns wohl trennen.«
    »Wenn das passiert, finde ich dich wieder, Baby. Ich komm zu dir in die Zelle, wir machen Liebe, und dann nehm ich dich mit nach Mechiko.«
    Der Tag bricht an. Peter wirft seinen Grashalm fort und nimmt die Zigarette entgegen, die Howard ihm anbietet. Ezzie setzt sich auf und reibt sich den Nacken.
    »Hab ich lang geschlafen?«
    »Vielleicht zwei Stunden.«
    Ezzie schnieft. Dicke Tränen laufen ihm über die Backen.
    »Was ist denn?«
    »Nichts. Bloß dass ich meine Uhr vermisse. Ich hab sie im Lager nicht mehr gefunden.«
    Peter nimmt seine rote Swatch ab und befestigt sie am Handgelenk des Riesen. Ezzies feuchter Blick wandert von der Uhr zu Peter, und er stammelt: »Schenkst du mir echt deine Uhr?«
    »Na klar. Das ist eine richtige Uhr, mit Sekundenzeiger, Wecker und allen Schikanen.«
    Ezzie hält sich das Zifferblatt dicht vor die Augen. »Und sie phosphoresziert auch noch!«, ruft er begeistert aus.
    »Ja, sie hat ein kautschukummanteltes Stahlgehäuse. Damit kannst du sämtliche Profose der Welt umbringen, ohne dass die Uhr kaputt geht.«
    Ezzie beginnt wieder zu schniefen.
    »Und die Batterie, wo tut man die rein?«
    »Sie hat keine. Sie zieht sich von selber auf, sobald du das Handgelenk bewegst.«
    »Wahnsinn.«
    »Und siehst du, das ist ein mineralisches Glas, das heißt, es verkratzt nicht. Und sie ist wasserdicht – du kannst fünfzig Meter tief damit tauchen.«
    »Ich kann aber nicht schwimmen.«
    »Egal.«
    »Macht nix, ich werd sie ab und zu in die Badewanne tun, damit sie weiß, dass ich weiß, was sie alles kann.«
    »Gute Idee.«
    »Howard, schau doch mal – die Uhr, die mir Peter geschenkt hat!«
    »Super. Aber ich schätze, ich muss dir zeigen, wie man den Ton abstellt – das nervt, dieses ständige Gepiepse, wenn du auf die Knöpfe drückst.«
    »Eine Uhr, die nicht piepst, ist nicht wirklich eine Uhr.« Ezzie schüttelt das Handgelenk und hält sich die Uhr ans Ohr.
    Marcellus und Collie sind eingeschlafen, Howard und Peter rauchen schweigend und nehmen mit ausgestrecktem Daumen die dicken rosaroten Wolken am Himmel unter Beschuss. Schließlich bricht Howard das Schweigen.
    »Hast du dir überlegt, was wir den Typen vom FBI erzählen?«
    »Wir sagen ihnen, dass die Profose und Vögte durchgeknallt sind und sich gegenseitig abgeschlachtet haben.«
    In dem Moment leuchten Schwärme roter Punkte auf und gleiten über das Fell der Hunde. Schallgedämpfte Gewehrsalven knattern über sie hinweg. Die Hunde fallen der Reihe nach um wie Kegel.
    »Aus der Weite gilt das doch nicht!«, nörgelt Ezzie, ohne seine Aufmerksamkeit von der neuen Uhr zu wenden.
    Peter winkt den Agenten, die sich durch die Tabakfelder anschleichen. Gleichzeitig kriechen Ackermann und seine Leute aus den unterirdischen Gängen. Peter tritt seine Kippe aus und streckt sich neben Wendy aus, die im Gras liegt. Er drückt ihre Hand und flüstert ihr ins Ohr: »Ich liebe dich.«
122
    Wendy und Peter sind mit einer Maschine der United Airlines nach Memphis geflogen und von dort mit einem Mietwagen weiter nach Süden gefahren – zwei eintönige Stunden lang zwischen Baumwollfeldern. Ein warmer Regen prasselt auf die Windschutzscheibe, als Peter vor dem Friedhof von Calhoun City anhält. Alte Sykomoren bewachen die schäbigen, unkrautüberwucherten Kreuze und Grabsteine. Der Regen hört so plötzlich wieder auf, wie er begonnen hat. Shepard stößt das Tor auf. Auf kiesbestreuten Wegen gelangen sie zu einer weißen Stele, an deren Fuß Marcellus liegt. Seit einem Monat. An dem Tag, an dem er starb, gab er im Stadtzentrum von Calhoun City fünf große Briefumschläge auf, dann setzte er sich auf die Terrasse des Starbucks und trank einen Caffè Latte, und als er

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