Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
Burton macht eine überraschte Miene, dann weicht die Farbe aus seinem Gesicht, und als der Schmerz einsetzt, sackt er auf die Knie. Wendy steht auf und glättet sich die Haare, als wäre nichts. Sie macht Anstalten, noch einmal zuzutreten, doch der letzte Profos hat sich bereits auf sie gestürzt. Ezzie lässt den Schläger los, und der greift mit der unverletzten Hand zu seiner Pfeife und bläst hinein. Andere Pfiffe antworten aus der Ferne. Fußgetrappel nähert sich. Ezzie hat seine dicken Arme um Peter geschlungen, und Wendy tritt wie ein wütender Dämon nach dem Profos, der sie umklammert hält. Sie versucht, ihm in die Hände zu beißen. Burton, beide Fäuste gegen den Unterleib gepresst, rappelt sich wieder auf. Mit rasselnder Stimme und Hyänenlächeln fragt er: »Hast du sie, die Kommunistin?«
»Yeah!«
Burton haut Wendy seinen Schlagstock mitten ins Gesicht. Ein rauer Aufschrei entfährt ihr. Peter durchzuckt es wie ein elektrischer Schlag. Ezzies Arme lockern für einen Moment ihren Griff, und er hört Howard brüllen: »Nein, Ezzie! Halt ihn fest!«
Ezzie versucht, ihn wieder zu packen. Peter hat sich aber schon blitzschnell gebückt und nach dem Schlagstock im Gras gegriffen. Wendy blutet, und Burton holt abermals aus: Dies ist das Bild, das Peter wahrnimmt, und er greift an. Den Rest – die herbeieilenden Profose, seine Freunde, die sich um ihn scharen, die von allen Seiten sich nähernden schaulustigen Gelben – bekommt er nicht mit. Er denkt an die Wolken. An den Mississippi. Er ist einen Schritt von Burton entfernt, und der Kerl hat es offenbar geahnt, denn in dem Moment fährt er herum. Peters Schlagstock fährt pfeifend durch die Luft und trifft Burtons Unterkiefer. Burton spuckt allerlei aus, auch Bruchstücke von Zähnen, dann dreht er sich um die eigene Achse und bricht zusammen. Peter sieht Wendy an. Eine hässliche Schnittwunde klafft in ihrer Wange. Er blickt auf Burton hinab, der sich mit beiden Händen die Überreste seines Kiefers hält. Er sieht nicht, wie ein Pulk Profose auf ihn zustürzt. Er fühlt sich gut. Er ist im Begriff, noch einmal zuzuschlagen, als die Welt in Abertausende leuchtender Punkte zerstiebt. Heiß rinnt es ihm in den Overallkragen. Er fällt auf die Knie und sinkt ins Gras.
44
Clint, Idaho.
»Brett?«
Dr. Chandler hält den Telefonhörer ein Stück vom Ohr ab. Aus dem Lautsprecher dringt Geschrei. Klirren von zerschmettertem Geschirr.
»Brett? Hörst du mich?«
Ein Schnaufen am anderen Ende.
»Ja.«
Dr. Chandler lächelt ein wenig. Der Kontakt ist hergestellt. Als versierter Psychologe, der er ist, wird er jetzt nach den Regeln der Kunst diverse Deeskalationsstrategien anwenden.
»Ich möchte, dass du dich wieder beruhigst, Brett.«
» Sie hat angefangen! Immer fängt sie an!«
»Darum geht es nicht. Du musst jetzt erst versuchen, dich wieder zu beruhigen, bevor du was tust, das du nachher womöglich bereust.«
Dr. Chandler wartet ein paar Sekunden. Er muss taktieren, das ist klar, muss die Situation unter Kontrolle bringen, ehe sie ihm vollständig entgleitet.
»Brett? Bist du noch da?«
»Ja.«
»Okay. Wir machen es zusammen.«
»Was?«
»Was wir normalerweise machen, wenn du in diesem Zustand bist. Ich möchte, dass du ruhig durch die Nase atmest und versuchst …«
»Leck mich am Arsch, du Wichser!«
»Wie bitte?«
»Du kannst mir gestohlen bleiben mit deiner Psychokacke für Idioten! Das geht mir voll auf die Eier!«
Weiteres Geschirr zerschellt, das Telefon landet auf dem Boden, eine Tür fällt krachend ins Schloss. Hysterisches Schluchzen nähert sich dem Telefon. Eine tränenerfüllte Stimme. Es ist Cherie.
»Du therapierst Geisteskranke und bist nicht in der Lage, deinen siebzehnjährigen Sohn zur Vernunft zu bringen!«
»Was daran liegen dürfte, dass ein Siebzehnjähriger noch weniger vernunftfähig ist als ein Geisteskranker.«
»Na und? Ein Versager bist du so oder so, und ich hab die Schnauze gestrichen voll von den ständigen Wutanfällen deines Sohnes. Zu schweigen von den Flausen im Kopf deiner Tochter! Willst du wissen, was ich in ihrer Schultasche gefunden habe?«
»Na ja …«
»Kondome! Gerade mal sechzehn geworden und trägt Kondome in ihrer Schultasche spazieren! Ich hab sie gefragt, was sie damit vorhat, und willst du wissen, was sie drauf gesagt hat?«
»Na ja …«
»Sie sagt, die braucht sie, wenn sie mit ihren Jungs zusammen ist, außer wenn sie …«
Neuerlicher Nervenzusammenbruch. Dr. Chandler
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