Sünden der Nacht
wieder gesund. Ein paar Brüche, eine leichte Gehirnerschütterung, Schleudertrauma. Er hatte Glück, sein Wagen
hat sich im Moment des Aufpralls seitwärts gedreht. Der andere Wagen ist auf der Beifahrerseite gegen ihn geprallt.
Armer Junge. Der Unfall macht ihm schwer zu schaffen. Er sagt immer wieder, die Straße wäre trocken gewesen und plötzlich war da diese Eisplatte, und der Wagen geriet völlig außer Kontrolle.«
»So ist das Leben wohl manchmal«, murmelte Hannah und spielte mit der kleinen würfelförmigen Uhr in einem glatten, seidigen Ahorngehäuse auf ihrem Schreibtisch. Ein Geschenk zum Hochzeitstag von Paul vor einigen Jahren. Eine Uhr, damit sie immer wüßte, wie lange es noch dauern würde, bis sie wieder zusammenwären.
»Ja, so wie’s aussieht, haben für heute auch Sie Ihre Eisplatte gefunden«, sagte Kathleen. »Zeit sich zusammenzureißen, kurz zu schütteln und zu den kleinen Monstern nach Hause zu fahren.«
Ein kalter Pfeil bohrte sich in Hannahs Herz. Ihre Finger krallten sich in die Uhr, und sie drehte das Zifferblatt zu sich. Zehn vor sieben.
»O mein Gott, Josh. Ich habe Josh vergessen!«
TAGEBUCHEINTRAG 1. Tag
Der Plan ist vervollkommnet worden.
Die Spieler sind ausgewählt.
Die Partie beginnt heute.
Kapitel 2
TAG 1 18 Uhr 42, – 5,5 Grad
Megan O’Malley hatte nie damit gerechnet, einem Polizeichef in Unterhosen zu begegnen, aber na ja, der ganze Tag war schon daneben gewesen. Die Zeit, die sie für den Umzug in ihre neue Wohnung vorgesehen hatte, konnte gar nicht reichen. Oder, vielmehr hatte sie die Zeit für all die Pannen, die sie vor, während und nach dem Umzug haben würde, einfach nicht einkalkuliert. Am liebsten hätte sie sich dafür einen Tritt in den eigenen Hintern verpaßt.
Natürlich gab es Dinge, die man nicht hatte voraussehen können. Keiner hätte zum Beispiel ahnen können, daß gestern abend der Schlüssel ihres Umzuglasters in der Zündung abbrechen würde. Sie hatte nicht ahnen können, daß ihr neuer Vermieter im Lotto gewinnen und per Charterflug nach Las Vegas abhauen würde. Sie hatte auch nicht ahnen können, daß sie die Suche nach den Schlüsseln zu ihrer neuen Wohnung bis in die tiefsten Tiefen der Buckland-Käsefabrik führen würde. Und auch nicht, daß sie, nachdem sie endlich Einzug gehalten hatte, feststellen mußte, daß erst in zwei Tagen Telefon, Strom und Gas angeschlossen würden.
Die Katastrophen und Verzögerungen klumpten sich an einer Stelle über ihrem rechten Auge zusammen. Schmerz nagte an den Rändern ihres Gehirns, drohte mit einer ausgewachsenen Migräne. Das brauchte sie jetzt wie ein Loch im Kopf. Damit würde sie sich gleich wieder richtig einführen – als schwach. Klein und schwach – ein Image, gegen das sie selbst dann ankämpfen mußte, wenn sie bei bester Gesundheit war.
Mit dem heutigen Tag war sie Field Agent für das Minnesota Bureau of Criminal Apprehension (Fahndungszentrum), eine der obersten
Polizeibehörden im Mittelwesten. Mit dem heutigen Tag war sie eine von elf Field Agents im Staat. Die einzige Frau jedenfalls, die erste, die die Testosteron-Schranken der BCA Ränge im Außendienst durchbrochen hatte. Irgendwer war irgendwo wahrscheinlich deswegen stolz auf sie, aber Megan bezweifelte, daß dieses Gefühl sich auf die männlichen Bastionen der Kriminalpolizei ausbreitete. Feministinnen würden sie als Pionier bezeichnen. Andere würden Worte benützen, die aus Anstandsgründen in keinem gängigen Wörterbuch stünden.
Megan bezeichnete sich selbst als Cop. Es hing ihr zum Hals heraus, daß ständig die Frage der geschlechtlichen Bezeichnungen bei Diskussionen auftauchte. Sie hatte alle erforderlichen Kurse absolviert, alle Tests bestanden – im Klassenzimmer und auf den Straßen. Sie hatte sich im Griff, konnte mit allem umgehen, was schoß. Ihre Zeit auf Streife hatte sie absolviert, ihren Rang als Detective verdient. Sie hatte die Stunden im Hauptquartier hinter sich gebracht und war zweimal bei Außeneinsätzen übergangen worden. Und dann endlich war ihre Zeit gekommen.
Leo Kozlowski, der Agent für den Bezirk Deer Lake, war mit dreiundfünfzig tot umgefallen – Herzanfall. Dreißig Jahre Doughnuts und billige Zigarren hatten ihn schließlich eingeholt und den armen Leo, mit dem Gesicht voraus, in einem Teller schwedischer Fleischklopse im Scandia Coffee House enden lassen.
Als sich die Nachricht von seinem Ableben wie ein Lauffeuer durch den Irrgarten von Büros im Hauptquartier
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