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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Reportern! Null und nichts! Der Parkplatz war leicht zugänglich, und keiner hatte etwas bemerkt. Der Mann war einfach neben den Explorer gefahren, hatte die Hand aus dem Fenster gestreckt und das Buch abgelegt. Geschickt, unverfroren, diabolisch. Zum Aus-der-Haut-Fahren. Er kam sich vor wie ein Idiot, den man beim Erbsenspiel reingelegt hatte.
    Irgendwie mußte er die Zeit finden, mit seiner Tochter zu der Parade zu gehen. Seine Schwiegermutter hatte vorgeschlagen, daß sie und Jurgen Jessie begleiteten, nachdem die Kleine ja schließlich das Wochenende bei ihnen verbrachte. Außerdem glaubte sie, daß es Jessie vielleicht nervös machen könnte, mit ihm zu gehen, während dieser ganzen schrecklichen Geschichte und den Polizisten, die in der Schule in die Klassenzimmer kamen und allen Kindern angst machten.
    Mitch waren die Pferde durchgegangen. Joy trieb ihn schon auf die Palme, wenn alles in Ordnung war, was man im
    Augenblick wirklich nicht behaupten konnte. »Willst du damit sagen, daß meine Tochter sich vor mir fürchtet?«
    »Nein! Nein, überhaupt nicht! Ich sag doch bloß …«
    »Du sagst bloß was, Joy?«
    »Na ja, dieser kleiner Kirkwood ist doch direkt von der Straße entführt worden.«
    »Verlaß dich drauf, Joy, wenn einer versucht, Jessie von der Straße zu entführen in meinem Beisein, reiß ich ihm seinen Scheißkopf ab.«
    »Also wirklich, dieser Ton …«
    272
    »Ich werde halt sauer, wenn du mir unterstellst, daß meine Tochter bei mir nicht sicher ist, Joy.«
    »Das hab ich nie behauptet!«
    Aber sie dachte es. Sie dachte das ständig und mogelte diese Gedanken wie vergiftete Splitter unter seine Haut, so geschickt, so raffiniert. Sie hatte ihm ihre Tochter anvertraut, und ihre Tochter war tot. Sie hatte ihm ihren Enkel anvertraut, und ihr Enkel war tot. Mitch warf sie voll und ganz die Schuld vor, stillschweigend, äußerte nie ein offenes Wort, sondern ließ diese Anklage wachsen und sich ausbreiten wie ein bösartiger Tumor.
    Er wußte das, weil er genau dasselbe machte.
    Seine Hände fuhren müde übers Gesicht. Ein Teil seiner selbst wünschte, er könnte einfach einschlafen, bis dieser Alptraum vorüber war, aber was auch immer ihm durch den Sinn ging, der Alptraum blieb. Wachend hatte er den Fall, schlafend träumte er, wie er in einem Meer von Blut ertrank.

    » Könntest du die paar Sachen nicht einfach auf dem Heimweg abholen? «
    »Allison, seit achtzehn Stunden arbeite ich. Ich hab genau drei Stunden, in denen muß ich nach Hause fahren, schlafen, essen, duschen und mich rasieren, bevor es wieder ins Gericht geht.
    Das letzte, was ich brauchen kann, ist noch der verdammte Supermarkt. Kannst du den nicht auf dem Weg zum T-Ball einkaufen?«
    »Ich hasse den Laden auf dem Weg zum Park. Das ist ein ganz mieses Viertel.«
    »Mein Gott, du wirst doch keine fünf Minuten da drin
    verbringen. Es ist hellichter Tag. Diese Läden werden nachts überfallen, wenn die meisten schlafen.«
    »Ich fass es einfach nicht, daß wir überhaupt streiten müssen.
    Warum bleiben wir hier? Es wird jeden Tag schlimmer. Ich fühl 273
    mich wie eine Gefangene, in meinem eigenen Haus …«
    »Du lieber Himmel, fang jetzt nicht wieder damit an. Können wir vielleicht warten, bis ich dreizehn oder vierzehn Stunden geschlafen habe, bevor wir uns wieder an die Gurgel fahren?«
    »Also gut. In Ordnung. Aber ich möchte eine echte
    Diskussion, Mitch. Ich will so nicht weiterleben.«

    Die letzten Worte seiner Frau dröhnten durch seinen Kopf, und er drehte verloren seinen Ehering.
    Es gab keine Gerechtigkeit. Keine Logik. Es war nicht gerecht, daß Hannah Garrison ihren Sohn an ein gesichtsloses Phantom verlor, dessen einzige Erklärung ein grausam spöttischer Satz plus Ergänzung war. Merkwürdigerweise gab es trotzdem Leute, die glaubten, daß das Leben einen Sinn machen müsse.
    Während sich Mitch diese wenigen Momente stahl, um sich der sinnlosen Übung der Selbstzerfleischung hinzugeben, und seine Faust wütend gegen diese ungerechte Welt erhob, tickte die Uhr weiter, und seine Ohnmacht wollte ihn verschlingen.
    Er mußte wieder einen klaren Kopf kriegen und sich
    zusammennehmen, sich konzentrieren. Die Armlehnen seines Stuhls packend holte er angestrengt Luft, ganz ruhig, wie es ihm der Polizeipsychiater in Miami versucht hatte beizubringen.
    Seinen Verstand auf einen einzelnen Gedanken konzentrieren und langsam und tief durchatmen! Meistens hatte sich Mitch auf den Gedanken konzentriert, wie er diesen

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