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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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kaltes Flüstern, seine emotionellen Schilde schnellten wie Eisenwände um ihn hoch. Fast zwei Jahre waren vergangen, und die Worte schmeckten immer noch wie der Kleber von Briefmarken, bitter und beißend. Sie auszusprechen hatte ihm nicht geholfen. Und Mitgefühl wehrte er so unbeholfen ab, wie ein Stürmer den Ball mit einem Fängerhandschuh.
    »Ich spreche nicht darüber«, sagte er ohne Umschweife, zog damit eine geistige Linie in den Sand und jagte sie auf ihre Seite zurück. Sein Stolz und seine Vorstellung von Privatsphäre scheuten das Mitgefühl von praktisch Fremden. Und unter dieser Verschanzung brodelte die Wut, ernährte sich selbst, sein ständiger Begleiter. Er hielt sie
im Zaum, hatte sie unter lückenloser Kontrolle. Kontrolle war der Schlüssel. Kontrolle war seine Stärke, seine Rettung.
    »O Gott, das tut mir leid«, murmelte Megan. Sie konnte seine Spannung spüren. Seine Schultern waren starr davon, das Kinn so aggressiv vorgeschoben, daß kein Mensch bei Verstand wagen würde, ihn herauszufordern. Sie kam sich vor wie ein unbefugter Eindringling auf geweihtem Boden.
    Mit auf den Tisch gestützten Ellbogen vergrub sie das Gesicht in ihren Händen. »Tausend Punkte O’Malley. Wenn da draußen irgendwo ein Scheißhaufen ist, trittst du mit beiden Füßen hinein.« »Ich hoffe, Sie meinen damit nicht die Käsefabrik«, sagte Mitch spöttisch und rang sich ein Lächeln ab. »Ich würde ungern den Gesundheitsinspektor noch mal dahinschicken.«
    Megan lugte zwischen ihren Fingern hervor. »Noch mal?« »Ja, also letztes Jahr gabe es da einen unbedeutenden Vorfall, in den der Schwanz einer Maus und ein Stück Monterey-Jack-Käse verwickelt waren …«
    »Ekelhaft!«
    »Les Metzler hat mir versichert, daß es ein einmaliger Vorfall war, aber ich weiß nicht. Ich persönlich kaufe keinen Käse von einer Firma, in dessen Souvenirladen es auch Tierpräparate gibt.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »O doch. Ich kann nicht glauben, daß Sie das Schild nicht gesehen haben, als Sie draußen in der Fabrik waren. Metzler’s BuckLand Feine Käse und Tierpräparate. Sein Bruder Rollie macht die Ausstopfungen. Er hat als Kind ein Nudelholz über den Kopf gekriegt, und seitdem ist er von überfahrenen Tieren besessen, nicht ganz richtig da oben«, flüsterte er und tippte sich an die Schläfe. Dann beugte er sich über den Tisch, sah sich kurz nach ungewollten Lauschern um und fuhr fort: »Ich kaufe meinen Käse in Minneapolis.«
    Ihre Blicke begegneten sich, und Megan spürte etwas, das sie weder fühlen wollte noch zu fühlen brauchte. Sie senkte rasch den Blick und studierte das Muster auf seiner Krawatte – Hunderte von winzigen
    Mickeymäusen.
    »Tolle Krawatte.«
    Er sah an sich hinunter, als hätte er vergessen, was er anhatte. Sein Lächeln war mit einem Mal gar nicht mehr zynisch. Die rauhen Kanten seines Gesichts wurden weich, als seine Hand über den Streifen burgunderroter Seide strich. »Meine Tochter hat sie ausgesucht. Ihr
Geschmack ist nicht direkt reif für die Männer-Vogue, aber sie ist ja auch erst fünf.«
    Megan mußte sich auf die Zunge beißen, um nicht zu seufzen. Hier saß der Polizeichef, ein großer eisenharter Macho, dessen einziges modisches Accessoire wahrscheinlich eine Neun-Millimeter Smith & Wesson war, und er ließ seine kleine Tochter die Krawatten aussuchen. Süß.
    »Ich kenne einen Haufen Cops, die sich modisch auf dem Stand von Fünfjährigen befinden«, sagte sie. »Mein letzter Partner war immer angezogen wie die Karikatur eines Gebrauchtwagenhändlers. Er besaß mehr karierte Polyesterhosen als Arnold Palmer.«
    Mitch mußte lachen. »Modepolizei haben Sie bei Ihrem mündlichen Lebenslauf gar nicht aufgeführt.«
    »Ich wollte Sie ja nicht völlig fertigmachen.«
    Sie bestellten beide Hackbraten. Megan lehnte den Vorschlag ein Glas Wein zu trinken ab, weil sie wußte, daß es ihre Kopfschmerzen noch verschlimmern würde. Mitch bestellte eine Flasche Moosehead Bier und sagte der Kellnerin – ein blondes Mädchen, etwa achtzehn oder neunzehn -, wie hübsch sie ohne die Zahnspange aussähe. Das Mädchen lächelte ihn schüchtern an und ging mit hochrotem Kopf davon.
    »Sie scheinen hier jeden zu kennen«, bemerkte Megan. »Ist das eine von diesen Der-Junge-von-nebenan-macht-Karriere-Geschichten?«
    Mitch zupfte sein Brötchen auseinander, das innen noch dampfend heiß war. »Ich? Nein. Ich bin verpflanzt worden, hab fünfzehn Jahre bei der Polizei von Miami Dienst geschoben.«

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