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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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Stapel alter Farbdosen. Keine Stöße von Zeitungen. Keine Schachteln mit abgelegter Kleidung. Kein Kerker. Kein Horrorkabinett. Kein kleiner Junge.
    Teils enttäuscht und teils erleichtert setzte sich Megan auf ihre Fersen und knipste ihr Licht aus. Im selben Augenblick tasteten sich Scheinwerfer in die Einfahrt.
    »Scheiße!«
    Hastig stopfte sie Taschenlampe und -messer in ihre Jacke und schaffte es dabei, sich die Klinge in die Handfläche zu rammen. Sie verkniff sich ein Aufheulen und schob den Schnee mit der gesunden Hand wieder an das Fenster. Die Garagentür begann sich automatisch zu öffnen. Den Schnee festklopfend huschte ihr Blick immer wieder zur Garage. Fletcher fuhr herein, ohne sie zu sehen, aber wenn er durch den Seiteneingang zu seiner Hintertür ging, war sie verratzt. Der Motor rumpelte und ging aus. Megan lief geduckt die Hintertreppe hoch, sprang über die Schwelle hinunter, bog um die Ecke und prallte frontal gegen einen Mann.
    Ihr Schrei wurde von einer großen behandschuhten Hand erstickt. Ein kräftiger Arm packte sie unsanft und drückte sie an sich, dann preßte er sie zwischen sich und die Hauswand. Megan schlug mit der Stiefelspitze gegen sein Schienbein. Er grunzte vor Schmerz, drängelte sie aber nur noch unbarmherziger gegen die Wand. »Halt still!« flüsterte er barsch.
    Ein vertrautes Organ.
    Megan starrte in den Tunnel seiner Kappe. Selbst im Schatten war Mitchs Gesicht unverkennbar. Er nahm seine Hand von ihrem Mund. Megan sagte kein Wort, versuchte lautlos ringend zu atmen. Die kalte Luft hämmerte wie Fäuste an ihre Lunge, und sie legte eine Hand als Filter vor den Mund. Fletchers Autotür knallte zu. Seine Schritte knirschten durch den festgebackenen Schnee zur Hintertür. Die Chancen standen gut, daß er einfach die Treppe hoch und in sein Haus gehen würde, wie er es schon zigmal getan hatte, ohne etwas Ungewöhnliches zu bemerken, wie zum Beispiel eine Fußspur im Schnee, wo keine sein sollte. Der Mensch war ein Gewohnheitstier, meist unaufmerksam – außer, er hatte das Gefühl, er müßte auf der Hut sein. Er zögerte. Sie stellte sich vor, wie er an der Stelle stand, wo sie den Schnee von Kellerfenster weggeschaufelt hatte. Komm schon, Albert. Beweg dich. Beweg dich. Bitte. Er bewegte sich langsam weiter. In
Zeitlupe die Treppe hoch. Megan hielt den Atem an. Hatte er Verdacht geschöpft? Schaute er zur Südseite der Veranda? Konnte er in der Dunkelheit Fußabdrücke erkennen?
    Das Klappern von Schlüsseln. Das Klicken des Schlosses. Die schwere Tür fiel zu, und die Sturmtür schwang knarrend in ihren Rahmen. Megan seufzte erleichtert auf. Der Adrenalinstoß verebbte, und sie begann zu zittern. Sie sah zu Mitch hinauf: »Was, zum Teufel, machst du denn hier?«
    »Was, zum Teufel, machst du denn hier?« zischte er retour.
    »Glaubst du, wir könnten irgendwo in einem Gebäude weiterstreiten«, murmelte sie. »Mir friert der Hintern ab.«

22 Uhr 55, -34 Grad, Windabkühlungsfaktor: -48 Grad
    Im Saloon ›Zur Blauen Gans‹ war nicht gerade viel los. In der schäbigen Kneipe herrschte gnädigerweise sehr schummriges Licht, damit die Gäste nicht sahen, was für mottenzerfressene, ausgestopfte Tiere an der Wand hingen. Die Bardame, eine stämmige Frau mit mausbraunen Locken, die wie eine Pudelmütze ihren Kopf krönten, stand hinter der Bar und rauchte eine Zigarette, während sie mit einem dubiosen Geschirrtuch Bierkrüge abtrocknete; dabei starrte sie unverwandt in einen tragbaren Fernseher, in dem eine Wiederholung von Cheers lief. Ihre kleinen dunklen Augen verschwanden fast in den Fettfalten ihres Gesichts, wie Rosinen im Brötchenteig. Ihr einziger Kunde an der Bar war ein alter Mann, der sich an seinem Schnapsglas festhielt und ein reges Selbstgespräch über den traurigen Zustand der Politik in Minnesota seit dem Abgang von Hubert Humphrey führte. Mitch hatte sich für die letzte Nische vor dem Billardraum entschieden und sich so plaziert, daß er den Eingang und das Fenster zur Straße im Auge hatte. Alte Gewohnheit. Er bestellte Kaffee und einen Jack Daniels. Den Whiskey kippte er mit einem Zug hinunter und nippte an dem Kaffee, während Megan ihm von ihrem Gespräch mit Kathleen Casey erzählte, vom mysteriösen Ableben Doris Fletchers und der Feindseligkeit ihres Mannes, weil Hannah Garrison sich eingemischt hatte.
    Megan goß ihren Whiskey in den Kaffee und rührte etwas Sahnepulver dazu. Das Gebräu war heiß und stark und wärmte sie von innen nach außen,

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