Sünden der Nacht
strich mit einer Hand über ihr Haar, beugte sich in den Truck und bettete behutsam ihren Kopf an seine Schulter. »Wir haben ihn erwischt.«
Es überrieselte ihn kalt bei den Gedanken an die andere Möglichkeit: Sie hätte getötet werden können – er wäre wieder allein übriggeblieben. Aber sie war hier und am Leben! Die Erleichterung ließ seine Knie weich werden.
Beide blinzelten heftig, als sie sich voneinander lösten. Er schniefte und versuchte zu lächeln: »Du bist ein Teufelskerl von einem Cop, Megan O’Malley. Und jetzt bringen wir dich ins Krankenhaus.«
23 Uhr 47, – 8 Grad, Windabkühlungsfaktor: – 18 Grad
»Hat er dir gesagt, wo Josh ist?« fragte Hannah.
Mitch hatte sie gebeten, sich zu setzen, aber sie konnte es nicht, sondern tigerte im Wohnzimmer auf und ab, die Arme fest verschränkt. Ihr Puls raste schneller, als es der Wissenschaft nach erlaubt war. Wahrscheinlich sollte sie sich hinlegen, aber sie mußte in Bewegung bleiben, weiterrennen, bis Mitch ihr die ersehnte Antwort gab. Und dann würde sie zur Tür hinaussprinten und zu Josh hetzen. Paul dagegen saß am Ende der Couch, den Kopf in die Hände gestützt, unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen.
Der Anruf war vor knapp zwei Stunden gekommen – Mitch hatte ihr gesagt, daß Garrett Wright verhaftet war und daß er selbst bei ihr vorbeikommen würde, um ihr alles zu erklären. Sie meinte, man müßte Paul im Büro benachrichtigen, dann hatte sie stumm und starr gewartet.
Mitch sah seine Stiefel an und seufzte: »Nein. Bis jetzt redet er nicht.«
Mitch hatte ihn gedrängt, doch einen Funken Entgegenkommen zu
zeigen, ihnen wenigstens anzudeuten, ob Josh noch lebte, aber Garrett Wright besaß keine menschliche Regungen. Er stellte sich Mitchs Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, und in seinen kalten, dunklen Augen war nichts zu erkennen, ebensowenig wie in seinem feinmodellierten, ausdrucks- und gefühllosen Gesicht.
»Garrett Wright«, Hannah fror es, »bist du sicher …«
»Für mich besteht kein Zweifel«, sagte Mitch. »Die ganze Zeit hat er uns zum Narren gehalten, uns mit seinen Hinweisen getrietzt. Er hatte vor, Megan – Agent O’Malley – heute abend dazu zu benutzen, uns seine Überlegenheit vorzuführen, aber diesmal hat er etwas zu nah am Feuer getanzt. Ich hab ihn selber gejagt und gestellt, Hannah. Er ist unser Mann – zumindest einer von ihnen. Ob Olie Swain etwas damit zu tun hatte oder jemand anders, wissen wir noch nicht.« Mitch erwähnte nicht, daß man einen Studenten vom Harris College namens Todd Childs zur Vernehmung aufs Revier geholt hatte. Daraus hatte sich bis jetzt noch nichts ergeben. Und er erwähnte auch den Fahndungsbefehl auf Christopher Priest nicht. Der Professor war nicht aus St. Peter zurückgekehrt, falls er überhaupt dorthin gefahren war. Die Polizei von St. Peter klapperte gerade die Motels ab, um die Autofahrer zu kontrollieren, die durch den Sturm festsaßen. »Großer Gott, Garrett Wright .« Hannah schüttelte den Kopf. Es schien unvorstellbar. Er war ihr Nachbar, Karens Mann, ein Dozent am Harris College. Erst gestern abend hatte er sie angerufen und ihr den Namen eines Familientherapeuten mitgeteilt. »Warum?« »Darauf gibt es noch keine Antwort, Liebes«, gestand Mitch. »Ich wünschte, ich hätte eine.«
»Warum sollte er uns weh tun?« grübelte sie laut.
»Weil er wahnsinnig ist!« schrie Paul und sprang von der Couch hoch. »Er ist irre!«
Selber steckte er mit in diesem Alptraum. Das konnte einfach nicht wahr sein, Garrett Wright verhaftet. Nein! Nicht Garrett … er ertrug es nicht, daß es Garrett war.
»Jeder, der so etwas vollbringt, muß verrückt sein!« knurrte er trotzig. Er wandte sich vom Kamin ab, wo auf dem Sims ein Foto von Josh stand und ihn anstarrte. Auf dem Phonoregal lag ein Stapel von Joshs Videospielen. Wohin er sich auch wandte, überall wimmelte es von Erinnerungen. In seinem Kopf mahlte ständig das Echo von Joshs Stimme: Dad, kannst du kommen und mich vom Eishockey abholen? Dad, kannst du …«
»Ich glaube das nicht«, er starrte auf den Teppich, weil er Angst hatte, irgendwo anders hinzuschauen, ertrug die ganze Situation nicht mehr. Mitch Holt wollte er keinesfalls in die Augen sehen, und erst recht nicht Hannah. Er konnte auch nicht an Garrett Wright denken. Schuldgefühle, Panik und Selbstmitleid steckten ihm wie ein Kloß in der Kehle. »Es ist einfach nicht wahr, daß das alles passiert!«
Keiner hörte ihn.
Hannahs
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