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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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und lehrreich. Tom McCoy war ein gescheiter, redegewandter Mann mit einem Abschluß in Philosophie am Notre-Dame-College und einem Herzen so groß wie seine Heimat Montana. An einem so schwarzen
Tag wie diesem hätte sie sich keinen besseren Freund wünschen können.
    »Ich dachte, es wäre besser, wenn ich auf diesem Weg reinkomme.« In seiner herzlichen Stimme schwang immer noch ein Unterton von Cowboy mit. »Eine Menge Leute bewachen Ihre Vordertür.«
    »Ja, heute ist Alle-Augen-auf-Hannah-Garrison-Tag«, sagte sie beklommen. »Ich wollte nur für ein paar Minuten flüchten.«
    »Soll ich lieber gehen?« Er wich zurück in die Garage, um ihr die Entscheidung zu überlassen. »Wenn Sie lieber allein sein wollen …«
    »Nein. Nein, gehn Sie nicht.« Hannah trat hinaus auf die Terrasse und lauschte dem Schleifen der Sturmtür, die sich hinter ihr schloß. »Allein will ich auch nicht sein.«
    Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das blasse, graue Licht, und ihr Blick wanderte durch die höhlenartige Garage bis zu Joshs Rad. Es hing an der Wand. Verlassen. Vergessen. Es war wie ein neuerlicher Faustschlag in den Magen. Den ganzen Tag lang hatte sie es geschafft, sich mit einem Kokon von Starre zu schützen, während die Zuschauer und die Anteilnehmer und Mitfühlenden kamen und gingen. Aber der Anblick des Rades riß ein Loch in die Abwehr, ein Loch in ihr Herz, und heraus floß der Schmerz.
    »Ich will nur meinen Sohn zurück.«
    Sie sank auf die kalte Betontreppe, ihre Knie versagten ihr den Dienst, ihre Kraft entwich. Sie wäre fast auf den Boden gestürzt, aber Vater Tom verhinderte es. Er fing sie gerade noch auf, legte einen Arm um ihre Schulter und hielt sie sanft fest. Sie bohrte ihr Gesicht in seine Schulter und weinte, die Tränen durchtränkten seinen schweren Wollmantel.
    »Ich will ihn wiederhaben … Warum kann ich ihn nicht wiederhaben? Warum mußte das passieren? Er ist doch nur ein kleiner Junge. Wie kann so etwas geschehen? Wie kann Gott das zulassen?«
    Tom sagte nichts. Er ließ Hannah weinen, ließ sie bohren und aufbegehren. Bestimmt erwartet sie nicht wirklich Antworten, und das war auch besser so, weil er keine hatte. Wie oft würden diese Fragen einer höheren Macht entgegengeschleudert, und ihm klingelten förmlich die Ohren von der Vergeblichkeit. Er kannte keinen besseren Menschen als Hannah. So offen, so liebevoll, so voller Zuneigung für ihre Kinder und so hilfsbereit. Es gab keine bessere Seele als die ihre. In einer gerechten Welt würden Menschen wie Hannah oder unschuldigen Kindern wie Josh so etwas Böses nicht widerfahren. Aber die Welt
war nicht gerecht, in ihr herrschten Härte und Grausamkeit. Eine Wahrheit ließ ihn immer wieder Gott in Frage stellen. Da die Welt ungerecht ist, ist also Gott ein ungerechter Gott? Die Schuldgefühle, die diese Frage begleiteten, drückten wie ein eisiger Mühlstein auf sein Gemüt. Zweifel war das Kreuz, das er zu tragen hatte.
    Er konnte Hannah keine Antworten geben, nur Trost, konnte ihren Schmerz nicht lindern, aber ihn mit ihr teilen. Also setzte er sich ebenfalls auf die kalte Treppe, den Arm um sie geschlungen, und ließ sie weinen. Sein Herz litt für sie, seine eigenen Tränen tropften in das dichte Gewirr ihrer honigblonden Haare. Als sie sich ausgeweint hatte, zog er ein Taschentuch heraus und reichte es ihr.
    »Tut mir leid«, flüsterte sie, rutschte beiseite und wandte sich ab. »Normalerweise heule ich keine Menschen voll. Ich breche nicht auseinander und laß andere die Teile einsammeln.«
    »Bleibt unter uns«, versprach er und streichelte behutsam ihre Hand.
    »Schon vergessen, ich bin Priester.«
    Hannah versuchte zu lachen, aber es erstickte ihr in der Kehle. Sie starrte das Taschentuch an und runzelte die Stirn.
    »Es ist sauber«, scherzte er und drückte kurz ihre Schulter. »Ehrlich.« Sie schniefte und hob den Kopf. »Ich hab mir gerade das Monogramm angesehen. P?«
    »Weihnachtsgeschenk von einem Gemeindemitglied. P für Pater Tom.«
    Diese rührend naive Geste trieb ihr erneut die Tränen in die Augen. Sie benutzte das Taschentuch und schneuzte sich vorsichtig die Nase. Für eine eile blieben sie schweigend sitzen. Die Nacht war angebrochen, die Temperatur sank merklich. Das Außenwarnlicht stellte sich automatisch an. Es strahlte hell in der Dunkelheit und wehrte Gefahren ab. Was für ein schlechter Witz.
    »Sie haben ein Recht auseinanderzubrechen, Hannah«, sagte Tom leise. »Wir übrigen sollten Sie aufbauen

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