Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
neben einen Baucontainer gefahren, und die Räder hatten durchgedreht. Bliss glaubte beinahe zu spüren, wie die Reifen in den Schlamm einsanken, allerdings hatte er von hier aus einen sehr guten Blick auf Gyles’ Haus direkt gegenüber und auf das zweite Haus auf der anderen Seite von Gyles’ Einfahrt.
Steve Furneaux’ Haus. Es stand immer noch kein Auto davor, und Licht brannte ebenfalls nicht im Haus.
«Wäre das für Sie in Ordnung, Schwester Cullen?», hatte Bliss gefragt.
«Wüsste nicht, wieso ich das nicht herausfinden sollte, wo doch heute Sonntag ist», sagte Cullen. «Allerdings erwarte ich dann, dass Sie sich einschalten, wenn ich mal wieder geblitzt werde.»
«Ich hasse Radarfallen auch.»
Beide wussten genau, dass Bliss null Einfluss auf die Verkehrspolizei hatte.
«Geben Sie mir zwanzig Minuten», sagte Cullen.
«Das ist sehr nett von Ihnen, Schwester Cullen.»
«Merrily Watkins ist ein guter Mensch.»
«Für eine Pfarrerin?»
«Ich mache keine Witze über die Religion, Mr. Bliss.»
«Das ist sehr weise, Schwester Cullen.»
Bliss lehnte sich mit seinem Garnelensandwich und seinem Bier im Sitz zurück.
Hinter Bank-Jones’ Wohnzimmerfenster leuchteten die Lichter eines Weihnachtsbaums, aber dahinter war keine Bewegung zu erkennen. Entweder sprachen Gyles und seine Frau alles in Ruhe durch, oder sie hatten sich nach einem Streit in irgendwelche Zimmer zurückgezogen.
Irgendwann während der Weihnachtsferien würde Gyles allerdings bestimmt in seinem Lieblingssessel sitzen und denken, was für ein schönes, gemütliches Leben er hatte. Und dann würde ihn die Erinnerung an Bliss’ ätzende Worte aus diesen Betrachtungen reißen.
Peng! Das war die Zellentür, die hinter Ihnen zugeschlagen ist, Gyles.
Und für den Fall, dass Gyles, whiskeyselig und in sentimentaler Weihnachtsstimmung, sich dann wünschte, das neue Jahr nicht mit der Aussicht auf einen Gefängnisaufenthalt zu beginnen, hatte ihm Bliss seine Handynummer gegeben. Er war ziemlich sicher, dass ihn Gyles früher oder später mit einer nützlichen Information anrufen würde. Aber bis dahin – und das war viel interessanter – würde er sich um Steve Furneaux kümmern.
Steve Furneaux, den er jetzt aus einer ganz anderen Perspektive betrachtete. Steve Furneaux, der sich im
Gilbies
ständig die Nase geputzt hatte, aber keine weiteren Entzugssymptome zeigte. Bliss hatte es registriert, aber man sah das ja ständig, sogar die roten Flecken auf dem Taschentuch: Nasenbluten. Wenn man auf dem Computer das Bild eines typischen erfolgreichen Vorstadt-Kokainschnupfers erstellen wollte, käme hundertprozentig ein Steve Furneaux dabei heraus.
Weil Gyles die Bezugsquelle für die Drogen weiterhin nicht angegeben und sich geweigert hatte, irgendeine Verbindung mit seinem Nachbarn zuzugeben, hatte sich Bliss wieder an den Baptistenpfarrer Alan Sandison gewandt.
Er hatte für gute Weihnachtsstimmung gesorgt, indem er Alan Sandison gesagt hatte, dass er jetzt, nach Gyles’ Aussage, nicht mehr gegen seine neuen Nachbarn würde aussagen müssen. Darauf hatte sich Alan entspannt, unheimlich erleichtert, mit reinem Gewissen und froh, seine nachbarschaftlichen Beziehungen nicht beeinträchtigt zu haben. Sie hatten zusammen Tee getrunken, geplaudert, den schönen Moment genossen.
Während des Gesprächs hatte sich ergeben, dass Alan auch Bliss’ Freund Steve Furneaux kannte. Tatsächlich hatte das erste Nachbarschaftstreffen, das die Sandisons besuchten, bei einem Grillabend in Steve Furneaux’ Garten stattgefunden.
Dann kannte Alan doch bestimmt auch Charlie Howe, oder? Jeder kannte Charlie …
Oh, der nette weißhaarige Herr mit dem Gehstock, war das Charlie?
Volltreffer.
Die Chancen, Steve Furneaux wegen Drogenbesitzes dranzukriegen, standen schlecht. Aber das wusste Steve vielleicht nicht. Es war eher wahrscheinlich, dass sich Steve, mit seinem bequemen Posten in der Bezirksverwaltung und seiner glänzenden Zukunft vor Augen, gewisse Sorgen machte. Es gab keinen besseren Moment für eine kleine Plauderei über Hereforward, Clement Ayling und … bitte, lieber Gott … Charlie Howe.
Bitte lass Steve nicht über Weihnachten weggefahren sein.
Aber Bliss wollte seinen alten Kumpel Gott auch nicht überfordern, und deshalb rief er seinen ehemaligen Ermittlungspartner Andy Mumford an.
«Boss», sagte Mumford. «Wie geht’s denn so?»
Mumfords deutlich dialektgefärbte Aussprache rührte Bliss. Sie rief Erinnerungen an die gute alte
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