Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
Wir sind mehr als nur dieses Buch, verstehen Sie?»
Merkwürdig
, dachte Merrily. Gleich sagt sie noch, Stooke hätte das Buch eigentlich gar nicht geschrieben. Das alles kam ihr ein bisschen scheinheilig vor.
«Also», sagte sie, «ich kenne ja Ihren Musikgeschmack nicht, aber wenn Sie ein paar Leute kennenlernen wollen, könnten Sie morgen Abend zu einem Konzert kommen, das Lol Robinson, ein Freund von mir, im
Black Swan
gibt. Ich habe einige ziemlich vorurteilslose Bekannte, die ich Ihnen vorstellen könnte.»
«Das wäre toll.»
«Gut. Inzwischen rede ich noch mit Shirley. Auch wenn es möglicherweise … nicht sie allein betrifft. Ich habe mich gefragt, ob Elliot bei seinen Recherchen zu unterschiedlichen Sekten über den Namen Nicholas Ellis gestolpert ist. Das ist ein anglikanischer Geistlicher, der nicht weit von hier hinter der walisischen Grenze in Radnorshire eine fundamentalistische Gemeinde aufgebaut hatte.»
«Ich weiß nicht. Es gibt so viele von diesen Typen.»
«Ich habe nur gerade erfahren, dass die Kirche vom Herrn des Lichts aus den Überbleibseln von Ellis’ ehemaliger Organisation entstanden ist, und es kann sein, dass er hier immer noch Einfluss hat. Von Amerika aus. Oder übers Internet.»
Leonora rief: «Darling, hast du schon mal von einem Mann namens Ellis gehört?»
«Vater Nicholas Ellis», ergänzte Merrily, während Stooke mit einem Tablett wieder hereinkam. «Das ist nicht sein richtiger Name, aber das spielt keine Rolle.»
«Ich habe eine Datei über ihn angelegt.» Stooke stellte das Tablett auf den Schreibtisch. «Er stand doch mit einem korrupten Wanderprediger in Verbindung … McAllman, oder?»
«Ja.» Merrily nickte. «Zu Ellis’ Amtsausübung als Geistlicher gehörte die sexuelle Ausbeutung von Frauen. Er gibt mir unter anderem die Schuld daran, dass er in diesem Land nicht mehr als Pfarrer arbeiten kann.»
«Und gehört diese Shirley West zu seinen Anhängern?»
«Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihm je persönlich begegnet ist. Ich habe mich aber gefragt, ob
Sie
ihn kennen. Im
Guckloch in den Himmel
habe ich jedenfalls keine Erwähnung von Ellis gefunden.»
«Der sollte ins nächste Buch.»
«Weiß er, dass Sie hier sind?»
«Jetzt vermutlich schon.» Stooke sah seine Frau an.
«Ja, ja, das war dumm von mir», sagte Leonora. «Ich habe einfach nicht nachgedacht, weil ich an dem Morgen so wütend war. Wir hatten eine Stromrechnung von über 900 Pfund, und auch wenn die Preise ständig steigen …»
«Aber Sie heizen doch hier sehr gut, oder?», sagte Merrily.
«Wir heizen mit Öl. Und mit Holz. Okay, wir haben viele Lampen, aber sonst verbrauchen wir nicht viel Strom. Wir essen beinahe jeden Tag auswärts. Es ist nicht, dass wir es nicht bezahlen könnten, aber es ist einfach so
ungerecht
.»
«Danke.» Merrily nahm die Tasse Kaffee, die Stooke ihr reichte. «Haben Sie deshalb bei der Grabung gefragt, woher der nötige Strom bezogen wird?»
«Ich dachte, sie würden sich vielleicht irgendwie hier Strom abzapfen.» Stooke strich sich über sein ergrauendes Haar. «War ein ziemlicher Schuss ins Blaue.»
«Wir haben den Verbrauch testen lassen», sagte Leonora. «Sie haben gesagt, sie können absolut keine Auffälligkeiten finden. Aber das sagen die ja immer. Jedenfalls war ich deshalb so wütend, als die endgültige Zahlungsaufforderung kam, und da bin ich einfach zur Postfiliale gestürmt, statt eine Überweisung loszuschicken.»
Stooke saß dicht bei dem Ofen auf dem Sofa. Er schien die Wärme nicht zu spüren. «Ich würde am liebsten wieder ausziehen und einen Teil von unserem Geld zurückfordern», sagte er.
«Darling, nicht noch einmal. Ich will nicht schon wieder umziehen. All der Stress, und man fühlt sich wie ein Flüchtling. Wir hatten einfach», Leonora drehte sich zu Merrily um, «ein bisschen Pech in letzter Zeit, das ist alles. Das hier ist eben eine umgebaute Scheune, und vor uns hat hier niemand gewohnt. Der Strom fällt aus, Glühbirnen brennen durch, mitten in der Nacht geht der Rauchmelder an, und dadurch schalten sich automatisch auch alle
anderen
Rauchmelder im Haus an.»
Merrily war angespannt.
Stromausfall. Durchbrennende Glühbirnen. Rauchmelder.
Wie oft hatten sich schon Leute mit solchen häuslichen Problemen an sie gewandt?
«Die Leute vom Sicherheitsdienst bei der Grabung haben mit dem Makler von hier geredet», sagte Stooke. «Haben ihm gesagt, falls sich rausstellt, dass wir uns bei
ihnen
Strom abzweigen, müssten wir
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