Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
Zeit wach – die eigentlich bis letztes Jahr gedauert hatte – bis Andy zu seinem dreißigsten Dienstjubiläum vor die Tür gesetzt worden war. Jetzt arbeitete der arme Kerl mit Jumbo Humphries. Der betrieb eine Autowerkstatt, einen Futtermittelhandel und eine Detektei. Entweder machte man als Expolizist so etwas, oder man wurde in einer Fabrik der
Chef des Sicherheitsdienstes,
was übersetzt
Hausmeister, Handlanger
und
Mädchen für alles
bedeutete.
«Und, wie ist das Leben, Andy?», sagte Bliss. «Jagen Sie jeden zweiten Tag einen Kerl im Land Rover?»
«Was mir der verdammte Humphries nicht gesagt hatte», sagte Mumford, «ist, dass von mir erwartet wird, in dem verfluchten Warenlager zu arbeiten und Körnermischungen an die idiotischen Hühnerzüchter zu verkaufen, wenn gerade kein Fall ansteht.»
«Und wie oft steht kein Fall an?»
«Wir sind hier in der Provinz. Kein Mensch hat mehr Geld. Die Schlüsse daraus können Sie selber ziehen.»
«Sie tun mir echt leid, Mumford. Nicht so leid, wie ich mir selber tue, aber trotzdem …»
«Hab mich erkundigt, ob ich zur Polizei zurückkann. Ungelöste Fälle bearbeiten oder so», sagte Mumford trübselig.
«Und?»
«Anscheinend hätte ich dafür Detective Chief Inspector sein müssen und nicht nur ein bescheidener Detective Sergeant.»
«Diese elitären Schwachköpfe. Sagen Sie mal, Andy, wohnt Ihre kleine Schwester immer noch im Plascarreg?»
«Für meine Schwester bin ich nicht verantwortlich.»
«Nein, keine Sorge, um so etwas geht es nicht. Ich habe nur gerade einen jungen Beamten losgeschickt, George Wintle, damit er feststellt, ob von dort aus wieder Koks vertickt wird.» Er informierte Mumford über die Hintergründe und gab ihm die Namen: Banks-Jones, Furneaux. «Wintle wird nichts rauskriegen, aber ich habe mich gefragt, ob an der Sache mehr dran ist. Wer hat im Plascarreg zurzeit das Sagen?»
«Jason Mebus wird ziemlich schnell erwachsen», sagte Mumford. «Ist inzwischen ein richtiger Geschäftsmann.»
«Ich dachte, der hat sich bei einem Unfall sämtliche Knochen gebrochen.»
«Das war nur das Schlüsselbein, als er mit einem geklauten Auto unterwegs war. Junge Knochen heilen schnell.»
«Sie mögen Jason nicht besonders, was?»
«Nein.»
«Trotzdem eine gute Idee. Ich schicke George Wintle hin, der soll sich mal mit ihm unterhalten.»
«Der redet nicht. Jedenfalls nicht mit einem wie Wintle.»
«Und mit Ihnen?»
«Könnte sein.»
«Die von der Abteilung für ungelöste Fälle haben echt keine Ahnung, was ihnen entgeht.» Bliss hielt kurz inne und fuhr dann beiläufig fort: «Haben Sie dieser Tage mal was von Charlie Howe gehört, Andy?»
Bedeutungsschwere Stille.
«Nein», sagte Mumford, «gar nichts.»
Die Situation war ziemlich knifflig. Es hatte viele Gerüchte darüber gegeben, dass Mumford vor vielen Jahren bei einem Mordfall im Frome Valley den Verdacht von Charlie Howe abgelenkt hatte. Damals hatte Charlie Howe denselben Dienstgrad gehabt wie mittlerweile Bliss, und Mumford hatte gerade erst bei der Polizei angefangen – also konnte man Mumfords Verhalten nachvollziehen … gerade so eben. Trotzdem war es ein heikles Thema. Besser, man hielt sich an die Gegenwart.
«Wissen Sie, ob Charlie und der verstorbene Clement Ayling in irgendeiner Verbindung zueinander gestanden haben?»
Mumford lachte kurz auf.
«Hab mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis Sie auf Ayling zu sprechen kommen. Allerdings erzählt man sich, Ihre Rolle bei dieser Ermittlung wäre ein bisschen eingeschränkt worden.»
«Und
wer
erzählt das?»
«Hab ein Glas mit Terry Stagg getrunken. Komische Ermittlungsorganisation, sagt Terry. Warum sollte Ma’am Howe ein paar Minuten Fußweg von der Goal Street entfernt eine Ermittlungszentrale aufmachen?»
«Nur wenn sie so was wie eine Schallschutzkabine braucht», sagte Bliss.
«Aha.»
«Er hat mich nie leiden können, das wissen Sie, Andy.»
«Charlie? Ja, das kommt mir auch so vor.»
«Jedenfalls nicht mehr nachdem ich mich zu sehr für das Frome Valley interessiert habe.»
Keine Reaktion von Mumford.
«Was ich nicht noch mal vorhabe, müssen Sie wissen. Das ist Vergangenheit, das habe ich akzeptiert.»
Er musste das so betonen, damit Mumford wusste, dass seine Jugendsünde nicht noch einmal auf den Tisch kommen würde.
«Okay», sagte Mumford.
«Aber wenn Charlie Howes Name am Rand einer aktuellen Ermittlung auftaucht, bin ich interessiert. Und Charlie weiß das, und Annie weiß es
Weitere Kostenlose Bücher