Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Tablette zu nehmen. Vielleicht half ein Glas Cola genauso gut. In ihrem Rücken tappte Markus Lehmann herein und schlenderte dann von Tisch zu Tisch. Die Hände hatte er in den Hosentaschen. Hinter Christins Stuhl verlangsamte er sein Tempo ein wenig und starrte im Vorbeigehen auf ihren Bildschirm. Das Gleiche tat er bei Bert Anders. Während Lara darauf wartete, dass er auch zu ihr kam, fragte sie sich, was der Kerl eigentlich den ganzen Tag machte. Spionierte er für Tom? Markus Lehmann schien ihre Gedanken erraten zu haben. Er verschwand in der Küche und begann, mit Geschirr zu klappern. Lara schüttelte den Kopf und wandte sich ihrem Text zu.
*
»Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen befasst sich mit verschiedenen Themenbereichen. Sie ist Studien-, Dokumentations-, Auskunfts- und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche, beobachtet und beurteilt Zeitströmungen, veranstaltet Fachkongresse und wirkt in Kooperation bei Tagungen und Seminaren mit.« Stefan Reinmann goss Sahne in seinen Kaffee. Der Löffel klimperte beim Rühren gegen das dünne Porzellan. »Hat Doktor Grünthal Ihnen davon erzählt?« Er sah hoch und blickte Lara mit forschenden Augen an. Im Licht der Stehlampe konnte sie nicht genau erkennen, welche Augenfarbe ihr Gegenüber hatte, lediglich, dass die Iris wasserhell war. Noch während sie den stämmigen Mann mit den zerzausten Haaren musterte, sprach Stefan Reinmann schon weiter. »Um genau zu sein, sind es fünf Themenbereiche, mit denen sich die Zentralstelle beschäftigt: Grundsatzfragen und Strömungen des säkularen und religiösen Zeitgeistes, Islam und andere nichtchristliche Religionen, christliche Sondergemeinschaften – dazu zählen wir auch die Neuapostolische Kirche, Jehovas Zeugen und Scientology; dann hätten wir da noch den Themenbereich Esoterik, Okkultismus, Spiritismus, Satanismus und fünftens das Curriculum für Religions- und Weltanschauungsfragen.«
Er schwafelte ein bisschen viel. Aber vielleicht war das bei solchen Leuten angeboren. Lara überflog zum zehnten Mal ihre Notizen. Wenn sie das Abendessen mit Jo noch schaffen wollte, musste sie allmählich zur Sache kommen.
»Ich bin für die christlichen Sondergemeinschaften zuständig. Darunter sind auch diverse Sekten. Aber das wissen Sie ja mit Sicherheit schon von Ihrem Freund.« Er lächelte. Lara konnte sich sehr gut vorstellen, wie der Mann fürsorglich mit Leuten sprach und ihnen bei ihren Problemen half. Stefan Reinmann war nicht so alt, wie sie es erwartet hatte, um die vierzig etwa. Durch den Bart sah er allerdings älter aus. Sie lächelte zurück und straffte sich, um ihm ein Zeichen zu geben, dass sie jetzt zur Sache kommen wollte.
»Aber so eine junge, hübsche Frau wie Sie ist bestimmt nicht hier, um stundenlangen Erläuterungen zur Evangelischen Zentralstelle zuzuhören, nicht?« Stefan Reinmann stellte die Tasse, die er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, zurück. Seine hellen Augen fixierten ihr Gesicht. Flirtete der Mann etwa mit ihr? »Sie hatten am Telefon gesagt, es gehe um einen lateinischen Text?«
»So ist es. Ich glaube, dass es etwas mit der Kirche und Gott zu tun haben könnte, hatte aber leider kein Latein in der Schule und kann es nicht übersetzen.«
»Und nun brauchen Sie jemanden, der es für Sie transkribiert.«
»So exakt wie nur möglich. Das wäre toll.«
»Ich bin Diplomtheologe. Latein-, Griechisch- und Hebräischkenntnisse sind Studienvoraussetzungen oder werden dort erworben. Das heißt, ich habe das Latinum, das Graecum und das Hebraicum, und zudem die alttestamentlichen und neutestamentlichen Schriften im Urtext gelesen.«
»Das ist wunderbar.«
Strahlenförmige Fältchen erschienen in Stefan Reinmanns Augenwinkeln, als er lächelte. Lara hatte das Gefühl, er habe auf die Anerkennung gewartet.
»Ihr lateinischer Text sollte also kein Problem sein. Es könnte allerdings ein Weilchen dauern.«
»Wie lange?«
»Sie haben es wohl eilig?«
»Na ja. Je eher, desto besser. Sie wissen doch, wie das bei uns Journalisten ist.« Lara hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Egal, ob er eine Ahnung davon hatte, wie sie arbeiteten, er brauchte nicht zu wissen, warum es so dringend war.
»Darf ich fragen, woher Sie den Text haben?«
»Das kann ich im Moment nicht sagen.«
»Oh.« Jetzt beugte sich Stefan Reinmann nach vorn. »Aber es könnte bei der Übersetzung relevant sein.«
»Tut mir leid, es geht nicht. Vielleicht im Nachhinein.« Lara
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