Sündenkreis: Thriller (German Edition)
konnte.
»Danach ist nur noch Chaos auf dem Film. Ich wurde von den Leuten überrannt.« Thomas Mahler klang ein klein wenig enttäuscht. »Nützt Ihnen das, was Sie bis jetzt gesehen haben, was?« Er hörte sich nicht besonders betroffen an. Jedenfalls nicht wie ein echter Freund des toten Models.
»Das weiß ich noch nicht.« Lara betrachtete seinen Ziegenbart und fragte sich, was die Kerle daran schön fanden. Oder ihre Freundinnen, wenn sie denn welche hatten. Thomas Mahler war sofort bereit gewesen, ihr den Film von der »Tor B. Hoff-Show« zu zeigen, als sie ihn gestern angerufen hatte. Wahrscheinlich hatte auch er auf ein paar Minuten im Rampenlicht gehofft; die fünfzehn Minuten Ruhm, die angeblich jedem im Leben zustanden, und war nun enttäuscht, dass daraus nichts werden würde.
»Spulen Sie doch bitte noch einmal zu der Stelle zurück, als die Trage ins Bild kommt.« Lara wartete und beobachtete, wie Thomas Mahlers flinke Finger über die Tastatur huschten.
»Stopp. Ab hier. Können Sie es in Slow Motion abspielen?«
»Klar.« Ein Klick, und der Film lief erneut ab.
Lara kniff die Augen zusammen. »Sehen Sie das?« Sie tippte mit dem Fingernagel auf das Bild. »Hier?«
»Die Spots wackeln.«
»Genau. Wer hat eigentlich die Scheinwerfer auf dem Gerüst bedient?«
»Das machen Kommilitonen. Bühnenarbeiter hatten wir nicht. Haben wir nie. Die Präsentationen sind auch so teuer genug.«
»Die Leute dort oben müssten doch etwas gesehen haben?« Lara klappte ihr Notizbuch auf. Sie würde sich die Namen der »Scheinwerfer-Männer« notieren und sie befragen.
»Nein.« Thomas Mahler lächelte. Herablassend, wie ihr schien. »Die Spots werden natürlich von unten gesteuert. Dafür gibt es Fernbedienungen. Da oben war zur Zeit der Show niemand von uns. Das wäre auch viel zu gefährlich in der Dunkelheit und ohne Absicherung.«
»Ah, ja.« Danke für die Erläuterungen, du kleiner Lackaffe. »Aber wie Sie so schön gesagt haben: ›Die Spots wackeln‹. Und das dürfte doch eigentlich nicht sein.«
»Scheint so.« Thomas Mahler setzte die Sequenz noch einmal ein paar Minuten zurück, und die Trage schwebte ein drittes Mal durchs Bild. Jetzt, wo sie beide sich darauf konzentrierten, war es nicht zu übersehen. Das Licht der Scheinwerfer schwankte vor und zurück.
»Was könnte das verursacht haben?« Jetzt war der junge Mann begriffsstutzig, aber Lara verzichtete darauf, ihm seine herablassende Art zurückzuzahlen.
»Meiner Ansicht nach gibt es nur eine Erklärung dafür. Da läuft jemand eilig über das Gerüst, auf dem die Leuchten befestigt sind.« Lara sah die Erkenntnis in Thomas Mahlers Augen aufblitzen. Es war müßig, die Entdeckung zu diskutieren. Sie beide wussten, wer da oben entlanggelaufen war. »Ich würde das gern analysieren lassen. Können Sie mir den Film mitgeben oder schicken?«
»Ich brenne Ihnen eine Kopie. Geht ganz schnell.« Der junge Mann mit dem Ziegenbart war, während er redete, schon aufgestanden und zog ein paar Schubladen auf. Mit einer DVD kam er zurück, schob sie in den Laptop und lümmelte sich auf seinen Stuhl.
»Sie waren mit Carolin befreundet?« Lara betrachtete den grünen Balken auf dem Bildschirm, der den Fortschritt des Kopiervorganges anzeigte. Noch sieben Minuten.
»Nicht wirklich. Caro war mit niemandem richtig vertraut. Sie liebte vor allem sich selbst. Vielen erschien sie hochnäsig.« Thomas Mahler drückte mit dem Mittelfinger seine Brille nach oben. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie tatsächlich eingebildet oder einfach nur unsicher war. Manche kaschieren ihre Hemmungen ja mit Distanziertheit, nicht?« Er sah Lara fragend an, und sie nickte.
»Zugegeben, ich habe es vor zwei Jahren bei ihr versucht. Aber sie hat mich eiskalt abblitzen lassen. Das, was sie sich vorstellte, hätte ich ihr eh nicht bieten können. Ich glaube, Caro war auf etwas Besseres aus.« Der Student erging sich in Beschreibungen, was Carolin Fresnel alles getan und angestrebt hatte, und erzählte dann von ihren diversen Modeljobs. Lara hörte nur mit halbem Ohr zu. Thomas Mahler schien das hübsche Mädchen besser gekannt zu haben, als er sich eingestehen wollte. Endlich war der Balken bei 100 Prozent angekommen und sie konnte die DVD in Empfang nehmen und sich verabschieden.
Auf den Weg zum Parkplatz lief der Film von der Diplomschau vor Laras innerem Auge wie in einer Endlosschleife ab. Die Trage mit dem toten Model war von dem Gerüst heruntergelassen worden. Die
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