Sündenkreis: Thriller (German Edition)
den Mund zu halten. Als er Laras vorwurfsvollen Blick bemerkte, zuckten seine Augenbrauen kurz nach oben, bevor er die Rechte vor die Lippen legte und hüstelte. Sie wandte sich wieder dem Text in der Internet-Enzyklopädie zu. Von dem, was dort geschrieben war, verstand sie nur einen geringen Teil. Was bitte waren »das deuterokanonische Buch Tobit«, »Grimoires« und »Goetia«? Zumindest hatten fast alle Erklärungen etwas mit der jüdischen oder christlichen Religion zu tun. Lara kopierte den Text in ein Word-Dokument. Vielleicht war die Recherche zu »luxuria« ergiebiger.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Markus Lehmann hochblickte. Seine Zungenspitze verschwand, der Mund öffnete sich ein wenig. In dem Moment, als hinter ihr die Stimme des Redaktionsleiters ertönte, wusste sie, warum der Praktikant sein Schafsgesicht aufgesetzt hatte.
»Lara?«
Sie schloss den Tab mit der Suchmaschine und drehte sich langsam um.
»Komm mit in mein Büro.« Tom Fränkel hatte nicht einmal »bitte« gesagt. Neben ihm stand Elsa Breitmann. Ihr Kopf war hochrot. Nachdem er sich umgedreht hatte, um zurückzumarschieren, hob Elsa entschuldigend die Schultern und ließ die Mundwinkel herabhängen. Wahrscheinlich sollte das so viel heißen wie »Ich kann nichts dafür«. Im Aufstehen fiel Laras Blick erneut auf Markus Lehmann. Das Schafsgesicht war verschwunden. Jetzt hatte er die Lippen gespitzt, als wolle er pfeifen. Die kleinen Äuglein glänzten. Du mieser kleiner Schnüffler! Elsa Breitmann huschte an Lara vorbei in einen Nebenraum.
Im Zimmer des Redaktionsleiters war es warm. In der Luft lag ein Geruch von Kräutertee. Ohne sie anzusehen, wies Tom auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Seine Hände schichteten Papiere um. Lara lehnte sich zurück, verschränkte die Finger im Schoß und befahl sich selbst, ruhig zu bleiben. Sie ahnte, was jetzt kam.
»Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich mit dir machen soll. Gerade habe ich mit Elsa Breitmann geredet.«
Das habe ich gesehen. Lara schwieg. Lass ihn ausreden. Mal sehen, worauf das Ganze hinausläuft.
»Was wolltest du gestern Nachmittag im Polizeipräsidium?«
»Reden wir von der Pressekonferenz zum Fall Nina Bernstein? Ich wusste nicht, dass Elsa auch dort sein würde.«
»Das wusstest du nicht?« Schon wurde er lauter. Es ging schneller, als sie gedacht hatte. »Ein Blick in die Zuständigkeitsliste und du hättest es gesehen! Aber das scheint dich ja überhaupt nicht zu interessieren! Jeder kümmert sich um seine Aufgaben und lässt die anderen ihre tun. Hatten wir nicht letzte Woche erst eine Diskussion darüber? So geht das nicht weiter!« Den letzten Satz schrie Tom so laut, dass ihn vor der Tür wahrscheinlich alle hören konnten. Er atmete mehrmals tief ein und aus. Auch Lara bemühte sich, ruhig zu atmen.
»Der Fall dieser ›Kirchenleiche‹ fiel von Anfang an in Frau Breitmanns Zuständigkeit! Sie war am Tatort! Sie hat die Berichterstattung von der ersten Zeile an übernommen!«
Jeder Satz ein Donnerschlag. Lara ließ die Schultern herabsinken, die sie die ganze Zeit hochgezogen hatte. Draußen hielten sie wahrscheinlich die Luft an, um nur ja nichts von der Scharade zu verpassen.
»Wieso versuchst du, sie aus der Sache rauszudrängen?«
»So war das nicht, Tom.«
»Ich will deine Rechtfertigungen nicht hören! Frau Breitmann hat noch versucht, dich zu verteidigen, aber der Sachverhalt ist eindeutig, und ich finde, es reicht allmählich mit deinen Eskapaden. Du hattest dort nichts zu suchen. Selbst wenn du ›aus Versehen‹ geglaubt haben solltest, der Fall fiele in dein Ressort, hättest du spätestens, nachdem Frau Breitmann dich aufgeklärt hat, in die Redaktion zurückkehren müssen. Stattdessen verschwendest du deine Arbeitszeit, um deine private Neugierde zu befriedigen!«
Eskapaden? Lara öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Tom schnitt ihr mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. »Schluss jetzt!« Er richtete sich in seinem Chefsessel auf und legte die Handflächen auf die Schreibtischplatte. »Du hast Pflichtverletzungen begangen. Hiermit erteile ich dir eine Abmahnung. Du bekommst sie auch noch schriftlich, und sie wird in deiner Personalakte hinterlegt.« Tom schaute kurz auf einen vor ihm liegenden Zettel. Wahrscheinlich hatte er sich notiert, was er sagen wollte, um nichts zu vergessen. »Ich fordere dich auf, dein Verhalten ab sofort zu ändern. Bearbeite die dir zugeteilten Aufgaben und lass die Kollegen in Ruhe.
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