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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Trance. Dann schenkte er der Gemeinde ein inniges Lächeln und senkte bedächtig die segnenden Arme. Den Blick auf die vertäfelte Wand hinter den Stuhlreihen gerichtet, zählte er bis zehn, ehe er sprach.
    »Ich danke euch. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn sich alle im Gesang vereinen. Der heutige Sonntag ist ein gesegneter Tag für uns alle. Wir wollen nun voller Freude die Botschaft der Woche hören.« Die Menschen vor ihm falteten die Hände, die Kinder taten es ihnen nach. Romain Holländer gab Konrad ein Zeichen, und während er zu predigen begann, schritt der Junge durch die Reihen und schwenkte das silberne Gefäß von links nach rechts, darauf bedacht, den weißen Rauch gleichmäßig zu verteilen.
    Insgeheim gab Romain Holländer zu, dass er das mit dem Räucherwerk von den Katholiken geklaut hatte. Angeblich hatte ja schon der reine Weihrauch einen leicht halluzinogenen Effekt, aber er verwendete zusätzlich noch andere Essenzen. Substanzen, die in Deutschland gar nicht erhältlich waren. Die Beimengungen hatten eine leicht narkotische Wirkung, beruhigten die Gedanken, machten den Kopf leer und schufen so Platz für seine Worte.
    Seine Schäfchen wussten davon nichts. Sie fühlten lediglich, dass der Rauch sie beruhigte, dass er ihnen Wohlbehagen schenkte und sie ein wenig schläfrig zurückließ. Auch Romain Holländer spürte die Wirkung. Er liebte es, wenn sich die Gedanken in seinem Kopf zu machtvollen Gebilden formten, wenn die Sätze wie Perlenschnüre aus seinem Mund glitten und sich um die Köpfe der Gemeindemitglieder wanden. Manchmal überflutete ihn die Macht der Worte so stark, dass er Stunden um Stunden predigte, um danach wie eine hohle Spielzeugfigur in die glasigen Augen seiner Gemeinde zu starren.
    Heute hatte er Konrad den Auftrag gegeben, die große Silberkugel nur in den Reihen der Zuhörer zu schwenken, denn heute durfte die Predigt nicht bis in die Nachmittagsstunden dauern. Romain Holländer hatte noch einiges vor an diesem wunderbaren Sonntag im Februar.
    Nach einer guten Stunde beendete er seine Rede mit einigen metaphorischen Verweisen auf die Nützlichkeit ihres Tuns, wobei er die Stimme lauter und lauter werden ließ, um die Schäfchen sanft aus ihrer Entrückung zu erwecken. Nachdem alle die Augen wieder geöffnet hatten und nach vorn schauten, stimmte er die Schlusslitanei an. Das einsetzende Gemurmel rollte wie ein ferner Donner durch den Raum.
    »Und nun gehet zur Sonntagsspeisung. Ich werde euch alsbald folgen.« Die erhobenen Arme winkten die Schäfchen hinaus. Romain Holländer lächelte sein sanftmütiges Lächeln. Er liebte diese schwülstigen Formeln. Sie hoben sich von der Alltagssprache ab und zeigten, dass es hier um etwas Besonderes ging.
    »Konrad, du hilfst mir bei den Nachbereitungen.« Der Altardiener nickte. Das ziselierte Räuchergefäß schaukelte sacht in seiner Rechten. Romain beobachtete die Gemeindemitglieder beim Hinausgehen. Manche Kinder waren so fest eingeschlafen, dass sie auch durch das Rütteln und die Geräusche beim Aufstehen nicht erwachten. Langsam schlurften die Menschen hinaus, die große Freitreppe in das Foyer hinab.
    Konrad hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er stand noch immer neben dem Altar und starrte in die Ferne. Vielleicht hatte er beim Herumgehen etwas zu viel von dem Räucherwerk eingeatmet. Romain Holländer wartete, bis alle Mitglieder den Raum verlassen hatten, dann trat er zu dem Jungen und legte ihm die Handfläche auf die blonden Locken. »Komm, mein Sohn. Es wird Zeit.« Konrad erwachte aus der Erstarrung und sah zu seinem Meister auf. Ein scheues Lächeln erschien in seinem Gesicht. Es war sein erster Altardienst, und er wusste noch nicht so recht, wie es jetzt weitergehen würde.
    »Zuerst kontrollierst du den Andachtsraum.« Romain zeigte auf die Stuhlreihen. »Stelle die gewohnte Ordnung wieder her.« Das Kind nickte. »Das Räuchergefäß kannst du mir geben.« Folgsam überreichte Konrad die Silberkugel. »Dann kommst du in den heiligen Raum und hilfst mir dort bei den Nachbereitungen.« Nachbereitungen hörte sich entschieden besser an als »Aufräumen«. Noch einmal ließ Romain Holländer seine Hand über das seidenweiche Haar gleiten und wandte sich dann, einen Seufzer unterdrückend, ab. Hoheitsvoll schritt er davon. Das weite Gewand verdeckte seine Erektion. Was für ein reines, unschuldiges Wesen dieser Kleine doch war! Hinter ihm scharrten Stuhlbeine über das Parkett. Er würde dem Jungen sagen

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