Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
Vom Netzwerk:
paralysiert. Ihre Muskeln waren vom langen Liegen in der gleichen Position wie gelähmt.
    »Stell dich nicht so an!« Dass der Typ nicht einmal die Stimme hob, jagte Nina ein bisschen Angst ein. Während sie auf das feine Kribbeln wartete, das anzeigte, dass das Leben in ihre Arme und Beine zurückkehrte, versuchte sie die Geräusche im Hintergrund zu analysieren. Er packte etwas ein, summte dabei eine Melodie. Als sie gerade dachte, dass es ihm egal zu sein schien, wie lange sie brauchte, kam er zurück, ließ sich direkt neben ihr niederplumpsen, griff nach ihren Schultern, drehte sie mit einem Ruck um und zerrte sie dann. »Hoch mit dir, Schlampe!«
    Als sie saß, ließ er los und warf ihr das Top in den Schoß. »Anziehen!«
    Nina gehorchte wortlos. Der Stoff rutschte über ihren Kopf nach unten und glitt über den Rücken, an dem eine Art Folie zu kleben schien.
    »Hände auf den Rücken!«
    »Aber …«
    »Diskutier nicht!«
    Während er ihre Arme wie vorher auf dem Rücken fesselte, dachte Nina darüber nach, was er wohl als Nächstes mit ihr vorhatte, aber ihr Kopf gab nichts her.
    »Du kannst hier sitzenbleiben oder dich hinlegen, wie du magst. Wenn ich wiederkomme, machen wir weiter.« Er drückte ihr mit dem Daumen gegen die Stirn und entfernte sich dann.
    »Lassen Sie mich doch hier nicht allein!«
    »Du hast eine Aufgabe. Ich habe es dir beim letzten Mal schon gesagt. Du sollst büßen. Und du musst aufrichtig sein, und nicht nur so tun. Ich erkenne den Unterschied.«
    »Ich habe Durst! Und ich muss zur Toilette!«
    »Daran kann ich momentan nichts ändern.« Das Scharnier quietschte. »Ich empfehle dir nachdrücklich, über meine Worte nachzudenken.« Es klickte, dann war es still.
    Nina lauschte in die Finsternis. Sie hatte es eben nicht nur so dahingesagt. Sie war durstig und ihre Blase drückte. Und sie fror. Was hatte er mit ihrem Rücken angestellt? Wie lange würde der Typ wegbleiben? Und was würde er mit ihr machen, wenn er zurückkam?

2
    »Lasst uns nun singen.« Der Mann mit dem weißen Umhang breitete die Arme aus und ließ seinen Blick über die Gemeinde gleiten. Er bemühte sich dabei, jeden Einzelnen anzusehen. Ehrfürchtig saßen seine Schäflein in ihren Stuhlreihen und blickten nach vorn. Aus ihrer Perspektive wirkte Romain Holländer wie die Christusstatue auf dem Corcovado in Rio de Janeiro, nur dass seine Haare nicht so lang waren. Konrad, der neue Altardiener, sang einen einzelnen klaren Ton in die Stille und stimmte so an.
    Romain Holländer schloss die Augen. Sein sonorer Bass übertönte den Chorus, genau so, wie es sein sollte. Er wusste um seine Wirkung. Besonders eindrucksvoll war die Szenerie an einem Tag wie heute, wenn die Sonne hereinschien. Das Licht fiel durch das Ornamentfenster hinter ihm und zeichnete saphirblaue, flaschengrüne und granatrote Muster auf das weiße Gewand. Gleichzeitig fluteten die farbigen Strahlen um seinen Hinterkopf und verliehen ihm eine Art Heiligenschein. Die Markierung am Boden, auf die er sich stellen musste, um diesen Effekt zu erzielen, war fast unsichtbar, und Romain Holländer glaubte nicht, dass sie überhaupt schon einmal jemandem aufgefallen war. Eigentlich brauchte er das Kreuzchen auch gar nicht. Die Riten verliefen seit Jahren immer gleich, ob es nun Sonntags- oder Wochentreffen waren.
    Er sang etwas lauter und schielte dabei durch die halbgeschlossenen Lider auf die Gemeinde; prüfte die Gesichter, forschte, ob alle dem Auf und Ab der Töne folgten. Ablenkung war Sünde. Meist beichteten die Betreffenden ihre Verfehlungen von selbst und suchten sich auch selbst eine Bestrafung aus, aber es konnte nichts schaden, sie trotzdem zu kontrollieren. Dieses Mal schien niemand unaufmerksam zu sein. Viele hatten wie ihr Führer die Augen geschlossen, manche wiegten sich im Takt hin und her.
    Auch die Kinder bemühten sich. Die ganz kleinen, die Texte und Melodien noch nicht beherrschten, saßen andächtig auf dem Schoß von Mutter oder Vater, die größeren versuchten mitzusingen. Keines von ihnen zappelte, weinte oder plapperte dazwischen, obwohl die Sonntagsandacht manchmal von sechs Uhr früh bis zur Mittagsspeisung dauerte. Es schien Romain, als begriffen sie instinktiv die Bedeutung der Treffen und wollten ihren Eltern keine Schande machen.
    Romain Holländer war zufrieden. Heute hatte keiner von ihnen Tadel verdient. Er ließ die letzten Töne verhallen und öffnete die Augen ganz langsam, als erwache er gerade aus einer tiefen

Weitere Kostenlose Bücher