Sündenkreis: Thriller (German Edition)
gleichzeitig eine Beschämung gewesen.
Inzwischen war Nina wieder auf die Unterlage zurückgerobbt und hatte sich hingelegt. Zuerst auf den Rücken, aber das war nicht lange gutgegangen, weil die gefesselten Arme sich in die Lendenwirbelsäule gedrückt hatten und die Folie oder was auch immer der Typ an ihrem Rücken befestigt hatte, in die Haut kniff. Deshalb hatte sie sich auf die Seite gerollt und die Beine wie ein Embryo angezogen. Und da lag sie nun und überlegte.
»Wenn ich wiederkomme, machen wir weiter«, hatte der Typ gesagt. Womit wollte er weitermachen? Mit dem, was er an ihrem Rücken angefangen hatte? Aber was zum Teufel war das? Und sie hatte noch immer keinen Schimmer davon, was sie eigentlich büßen sollte. Sie kannte diesen Typen doch gar nicht, also konnte er logischerweise auch sie nicht kennen. Oder war das ein Denkfehler? Womöglich hatte sie es mit einem Stalker zu tun, der sie schon seit Monaten beobachtete? Was war seiner Ansicht nach die Sünde, die sie begangen hatte?
Nina leckte mit der Zunge über die rissigen Lippen. Ihr Hals war trocken und schmerzte beim Schlucken.
Wie lange mochte sie schon hier sein? Ihr fehlte jegliches Zeitgefühl. Es konnte immer noch Sonntag sein – was sie nicht glaubte –, aber ob sie inzwischen Montag, Dienstag oder gar schon Mittwoch hatten, konnte sie nicht einschätzen. Sie schloss die Augen hinter der Binde und versuchte, Bilder aus dem letzten Italien-Urlaub hervorzurufen. Irgendwann schlief Nina Bernstein ein.
Ein Klicken weckte sie. Ihr Kerkermeister kam zurück. Wie lange mochte sie in diesem komatösen Schlaf zugebracht haben? Nach dem nunmehr schon vertrauten Quietschen herrschte Stille. Nina konnte es nicht sehen, aber sie spürte seine Blicke auf ihrem Körper. Dann sprach er. »Wie geht es dir?«
»Ich habe Durst.«
»Soso. Du bekommst etwas zu trinken, wenn du mir sagst, weswegen du hier bist.«
»Ich soll büßen.«
»Sehr gut.« Er kam näher. »Aber wofür, meine Liebe, wofür?« Nina konnte ein Zittern nicht unterdrücken, als er ihr eine warme Handfläche auf die Stirn legte. »Was sind deine Vergehen?«
»Ich weiß es nicht. Können Sie mir nicht einen Tipp geben?« Nina spürte, wie ihre Unterlippe beim Sprechen zitterte, und hasste sich dafür.
»Vielleicht später. Jetzt haben wir erst einmal anderes zu tun. Ich möchte deinen Rücken betrachten.« Die gleiche Prozedur wie letztes Mal begann. Er öffnete Ninas Fesseln und ließ sie ihr Top ausziehen. Dann musste sie sich mit dem Gesicht zur Wand drehen.
Das ratschende Geräusch kam vor dem Schmerz. Es hörte sich an, als reiße man Paketband von einer glatten Oberfläche. Es dauerte einen Augenblick, bis Nina begriff, dass die glatte Oberfläche ihr Rücken war. Dann begann die Haut an den Seiten zu brennen.
»Was machen Sie da?« Sie keuchte die Worte heraus. Der Typ antwortete nicht. Lediglich ein Räuspern und etwas, das wie »Hm« klang, waren zu hören. Die Angst ging und machte dem Zorn Platz. »Ich habe gefragt, was Sie da machen!«
»Sei still.« Die Stimme entfernte sich und kehrte gleich darauf zurück. »Nicht bewegen.«
Nina krallte die Fingernägel in die Handflächen und hoffte, er möge ihre Fäuste nicht sehen. Es würde schwierig werden, ihn mit verbundenen Augen zu schlagen, aber sie konnte das nicht länger teilnahmslos hinnehmen. Als sie seine Hände an ihren Seiten fühlte, winkelte Nina die Arme an, drehte sich mit einem Ruck um, und schlug mit beiden Fäusten ins Leere. Der Schwung, den sie ihrem Körper verliehen hatte, brachte sie ins Schlingern, und da die Fußgelenke noch immer aneinandergefesselt waren, konnte sie das Taumeln nicht ausgleichen und stürzte zur Seite. Hart schlug ihre Schulter auf den Boden. Etwas krachte im Gelenk.
»Dummerchen.« Der Typ lachte meckernd. Nina unterdrückte die Tränen. Die malträtierte Schulter schmerzte.
»Du kannst gleich da liegenbleiben. Dreh dich auf den Bauch.« Als sie keine Anstalten machte, packte er sie an Füßen und Hosenbund und wuchtete sie herum. Nina hatte beschlossen, sich tot zu stellen. Sollte er doch mit ihr machen, was er wollte. Sie hörte ihn hin und her gehen, etwas raschelte, dann kam er zurück und kniete sich neben sie. Als die streichelnden Hände über ihren nackten Rücken glitten, unterdrückte Nina einen Aufschrei. Die warmen Handflächen strichen sacht von links nach rechts, von oben nach unten. Dabei schnaufte er. So nah würde ihr der Typ vielleicht nicht so schnell
Weitere Kostenlose Bücher