Sündige Gier
drückten die Gläser kurz gegeneinander, während sie sich in die Augen sahen. Dann warf sie einen Blick auf das Leselicht.
Ohne lange nachzudenken und ohne sie zu fragen, drückte er den Knopf in seiner Armlehne, und das Licht erlosch. »Besser?«
»Eindeutig. Das grelle Licht…« Sie sprach jetzt viel leiser, so als würde sie die Dunkelheit zum Flüstern verführen, und sie ließ den Rest des Satzes unausgesprochen. Stattdessen trank sie einen Schluck von ihrer Bloody Mary, fast ein bisschen nervös, wie er fand. Sie senkte den Kopf, sah angestrengt in ihr Glas und drückte mit dem Stäbchen gegen die darin treibende Limettenscheibe. »Was tun Sie?«
»Wogegen?«
Sie hob den Kopf und sah ihn tadelnd an. Er lächelte. »Ich bin Jurist.«
»Wirtschaftsrecht?«
»Strafrecht.«
Das weckte ihr Interesse. Sie drehte sich ihm weiter zu, wobei ihre Schuhspitze über sein Hosenbein strich, und schlagartig verwandelte sich seine Wade in eine erogene Zone.
»Welche Seite?«
»Verteidiger.«
»Das hätte ich auch getippt.«
»Wirklich?«
»M-hm«, murmelte sie und nahm wieder einen Schluck. Sie musterte ihn kurz. »Für jemanden im öffentlichen Dienst sind Sie zu gut gekleidet.«
»Danke.« Und weil sie ihn immer noch musterte, fragte er: »Und?«
»Und für einen Staatsanwalt sehen Sie nicht…«, sie legte den Kopf schief und überlegte kurz, »…bieder genug aus.«
Er lachte, und zwar so laut, dass der Mann auf der anderen Seite des Ganges herübersah und am Lautstärkeregler für den Kopfhörer auf seinem Schädel drehte. Derek verstand die Anspielung und lehnte sich zu ihr hinüber, bis sein Gesicht direkt vor ihrem war. Sie wich nicht zurück. »Ich glaube nicht, dass mich irgendwer mit dem Wort bieder beschreiben würde.«
»Sie stören sich also nicht an den vielen Anwaltswitzen?«
»Ach was. Ehrlich gesagt liefere ich die Vorlage für die meisten davon.«
Aus Rücksicht auf den Mann auf der anderen Seite des Ganges verkniff sie sich das Lachen, indem sie sich auf die Unterlippe biss. Perfekte Zähne. Eine volle Unterlippe mit nur einer Spur Lipgloss. Alles in allem war der Mund ausgesprochen sexy.
»Warum Strafrecht?« Sie spielte am obersten Knopf ihrer Bluse herum, und für einen Augenblick lenkten ihn ihre Finger ab.
»Strafrecht? Weil da die bösen Buben sind.«
»Die Sie verteidigen.« Wieder grinste er. »Mit Profit.«
Sie setzten ihr Geplänkel während der ersten Bloody Marys fort. Sie plauderten über ihre Lieblingsrestaurants in Atlanta, über die wachsenden Verkehrsprobleme, dies und das, aber nichts Persönliches oder Bedeutendes.
Dann sagte sie aus heiterem Himmel: »Ich nehme an, Sie sind nicht verheiratet.«
»Nein. Wie kommen Sie darauf?«
»Logische Schlussfolgerung. Wenn Sie verheiratet wären, glücklich oder unglücklich, dann würde Ihre Frau Sie begleiten. Keine Frau würde sich eine Reise nach Paris entgehen lassen, selbst wenn sie dafür die Geburtstagsfeier ihrer Schwiegermutter überstehen muss.«
»Meine Frau hätte auch mitkommen und ein paar Tage länger in Paris bleiben können, um sich die Stadt anzusehen.«
Sie ließ den Einwand ein paar Sekunden unbeantwortet, dann schaute sie in ihr Glas und schubste mit der Spitze des Plastikstäbchens die Eiswürfel an. »Ihre Frau würde Ihnen bestimmt zu sehr misstrauen, als dass sie Sie allein zurückfliegen ließe.«
»Ich sehe also nicht vertrauenswürdig aus?«
»Eine Frau würde vor allem den anderen Frauen misstrauen.«
Sein Ego begann sich beschwipst aufzuplustern. Er beugte sich einen Fingerbreit weiter vor. »Sie reisen auch allein.«
»Stimmt.«
»Privat oder geschäftlich?«
Sie leerte ihr Glas und blickte dann betont auf ihre linke Hand, an der kein Ehering zu sehen war. »Ich bin extra nach Paris geflogen, um meinen Mann in flagranti mit seiner kleinen Freundin zu erwischen.«
Bingo, dachte Derek. Er hatte gerade im Lotto gewonnen. Ihr Selbstbewusstsein hatte einen schweren Schlag abbekommen. Trotz der sturmgrauen Augen, der so kussbereiten Lippen, der Wahnsinnsbeine und der wohlgeformten Hinterbacken hatte ihr Mann eine andere Frau ihr vorgezogen. Sie war verletzt worden, sann auf Rache und suchte verzweifelt nach einer Bestätigung dafür, dass sie immer noch eine attraktive, verführerische Frau war.
Er nickte zu ihrem leeren Glas hin. »Noch eine?«
Sie wich seinem Blick nicht aus, und er sah ihr an, dass sie vor einer schweren Entscheidung stand. Sollte sie die zweite Bloody Mary höflich
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