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Sündiger Mond

Sündiger Mond

Titel: Sündiger Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louisa Burton
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Treppe herunterlaufen wollte. »Es muss erst alles aufgewischt werden.«
    »Ist er …?«
    Tobias blickte auf das, was von Archie übrig geblieben war und nickte. Er seufzte und fragte: »Warum hält mich eigentlich jeder für einen Zigeuner?«

    Steamboat Springs, Colorado
    14. Februar 1922
     
     
    Mein geliebter Rémy,
    frohen Valentinstag, mon lapin , oder ich sollte wohl besser sagen, frohen Valentinstag nachträglich, weil Du den Brief erst in einigen Tagen lesen wirst.
    Nun, heute ist ein glücklicher Tag für mich. Weißt Du, warum ? Dr. Horney schneidet mir den Gipsverband ab. Ich weiß, es ist ein schreckliches Klischee, aber ich schwebe wie auf Wolken.
    Dieser Brief wird kürzer als sonst, weil Kitty und ich mit Nils’ Hilfe packen werden. Er hat sich übrigens endlich dazu durchgerungen, das Mädchen aus der Kirche anzusprechen. Sein neu erwachter Mut hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass er seine Jungfräulichkeit verloren hat. Morgen fahren wir mit der Eisenbahn nach New York. Erster Stopp: Cunard. Sobald ich die Überfahrt gebucht habe, schicke ich Dir ein Telegramm, damit Du weißt, auf welchem Schiff ich bin und wann ich ankomme. Aber denk daran: Du solltest mich nicht abholen, wenn Du nicht in aller Öffentlichkeit Unzucht begehen willst, denn ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, ich würde Dich sofort anspringen, wenn ich Dich sehe.
    Es gibt so vieles in Deinem letzten Brief, auf das ich antworten müsste. Zuerst: die Fellatio in der Landauer-Szene. Du bist ja ein ganz Cleverer mit Deiner Frage, warum ich in meinem Roman aus zwei Männern einen Mann und eine Frau gemacht habe, wenn ich es so spießig von Dir finde, wie Du darauf reagiert hast. Das liegt an all den schlüpfrigen Romanen, die ich in Grotte Cachée gelesen habe. Es kamen zwar viele Stellen mit zwei Frauen vor, aber nur sehr wenige mit zwei Männern. Und da ich wollte, dass Emmelines Emanzipation veröffentlicht wird, wollte ich männliche Leser nicht abschrecken. Du hast also recht: Ich wusste ganz genau, warum Du so auf die Szene reagiert hast, und es war hinterhältig von mir, Dich herauszufordern – ich entschuldige mich.
    Entschuldigung Nummer zwei: Es tut mir leid, dass ich den Abspann am Ende meiner kleinen Schloss-Erzählung habe laufen lassen, »ohne den letzten Akt zum Abschluss gebracht zu haben« – ich rede schon wie ein echter Filmemacher!
    Die Idee, Emmelines Emanzipation zu schreiben, kam mir erst, als Tante Pembridge und ich bereits auf dem Weg nach New York waren. Wie Du Dir sicher schon gedacht hast, schenkte Inigo mir zum Abschied den Renoir mit den Papageientulpen. Es fiel uns schwerer, uns zu trennen, als ich gedacht hatte – auch ihm, glaube ich.
    Um Deine Frage zu beantworten, nein, ich bin nie nach Grotte Cachée zurückgekehrt, und nein, ich glaube nicht, dass es ein verzauberter Ort war, an dem sexuelle Dämonen lebten – obwohl ich es wiederum auch nicht ganz von der Hand weisen würde. Was mir dort passiert ist, war wie einer dieser seltsamen und schönen Träume, aus denen man mit dem Gefühl erwacht, die Welt sei besser, klarer und vollkommener als am Abend zuvor. Einen solchen Traum kann man nicht noch einmal erleben. Man kann ihn nur in Erinnerung behalten und sein Leben weiterleben.
    Auf jeden Fall hängte ich das Gemälde in meine Kabine, wo es mich auf der Überfahrt ständig an Grotte Cachée und alles, was dort passiert war, erinnerte. Ich dachte daran, meine Erlebnisse niederzuschreiben, und dann dachte ich: Warum soll ich sie eigentlich nicht in einen Roman verwandeln? Das konnte natürlich nur eine bestimmte Art von Roman sein, und ich würde ihn unter Pseudonym veröffentlichen müssen, aber warum nicht? Schlimmer als Pornografie unter dem Namen »Walter« konnte es auch nicht werden. Außerdem fand ich, dass ein solches Buch vom Standpunkt einer Frau aus vielleicht mal ganz witzig war. Wie Du weißt, habe ich mit Anfängen so meine Probleme, aber als ich erst einmal in Fahrt gekommen war, lief es wie von selbst. Als wir New York erreichten, war das Buch schon halb fertig.
    Und jetzt zum Schluss noch rasch über unsere offene Beziehung: Es ist schön zu wissen, dass Du mit niemand anderem geschlafen hast – danke, dass Du es mir gesagt hast –, aber ich bin keineswegs so leicht zu manipulieren, wie Du zu denken scheinst. Wenn Du sagst, Du würdest jetzt wahrscheinlich anfangen, mit anderen Frauen zu schlafen, seitdem Du wüsstest, wie ernst es mir mit der freien Liebe wäre,

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