Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
geschickt?«
»Ja, nur deute bitte nicht unnötig irgendetwas da hinein.« Miranda rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. »Vielleicht hat er’s ja nur aus einer Laune heraus getan. Auf diesen Roman wartet schließlich jeder voller Ungeduld.«
»Genau. Und gerade deshalb verschenkt man so etwas nicht bloß einfach so an jedermann.«
»Aber die Nachricht war kurz und bündig. Eigentlich hätte ich Stilvolleres erwartet – etwas Idealistisches.«
»Das sage ich dir schon seit Wochen. Wer so ein Verführungsbuch schreibt, ist kein abgeklärter, schöngeistiger Gelehrter, sondern ein Wüstling.«
»O nein!« Miranda starrte die Freundin entsetzt an.
»Natürlich könnte er auch eklig sein. Mit einer Hakennase, plump und bucklig wie Mr. Pitts, mit dem du korrespondierst. Was deine Brieffreundschaften betrifft, hast du einen grässlichen Geschmack, Miranda. Allerdings würde ich jedem eine Hakennase und einen Buckel verzeihen, der so begnadet schreibt wie dieser Mann. Und vielleicht nicht nur schreibt …«
»George!«
»Ist doch wahr!« Georgette warf ihren Kopf in den Nacken, dass die Locken flogen. »Außerdem hast du seinetwegen eine Wette abgeschlossen …«
»Mr. Pitts mag Eleutherios nicht. Erst drängt er mich, dem Autor zu schreiben, dann wettet er, dass der nicht antwortet. Und wenn doch, würde mich der Brief enttäuschen. Aus irgendeinem Grund hegt er eine intensive Abneigung gegen diesen Schriftsteller.«
»Wie ich deinen diversen Berichten entnehme, mag Mr. Pitts nichts und niemanden.«
»Trotzdem meint er es gut«, betonte Miranda loyal. »Er hat nur manchmal eine … brummige Art, das auszudrücken.«
»Dann gib dich nicht mit Brummbären ab. Halt lieber Ausschau nach breiten Schultern – nebst anderen Vorzügen.«
»George!«
»Erzähl mir bloß nicht, du hättest letzte Nacht von deinem Gelehrten geträumt! Sicher findest du Thomas Briggs genauso attraktiv wie wir alle.«
Miranda dachte an den Mann, der ihrem Onkel gelegentlich die Buchhaltung führte. Der junge Mann, der Anwalt werden wollte, verdiente sich auf diese Weise neben seinem Studium etwas hinzu. »Nach meiner Ansicht ist er ein Dummkopf.«
»Aber ein hübscher.«
Miranda verdrehte die Augen. »Und ein Spießer.«
»Nun, dann …« Nachdenklich legte Georgette einen Finger an die gekräuselten rosigen Lippen. »Wen haben wir noch? Mr. Chapton. Oder Lord Downing.« Sie erschauerte wohlig. »Wenn er sich mit Charlotte Chatsworth verlobt, wird sie von ganz London beneidet. Oder bedauert, weil eine einzige Frau ihm niemals genügen kann.«
Jetzt wuchs Mirandas Interesse. Seit Georgette den Viscount letzte Woche im Park gesehen hatte, schwatzte sie bis zum Überdruss von ihm. Nur selten zeigte sich der berüchtigte Mann in der Öffentlichkeit, schien den Großteil seiner Zeit in Spielhöllen, Bordellen und ähnlich skandalöser Umgebung zu verbringen. Genussfreudig, voller Verachtung für Konventionen. Sündhaft, draufgängerisch, mysteriös. Ein leibhaftiger, zungenfertiger Schurke.
Ausnahmsweise wünschte Miranda, sie wäre ebenfalls in den Park gegangen, um Leute zu beobachten.
»Mr. Chapton sieht recht gut aus«, gab sie zu. Diesem lebensfrohen blonden Gentleman, in den Klatschspalten stets Mr. C. genannt, war sie mehrmals begegnet. Trotz aller Vorzüge entsprach er nicht dem Traumbild, das sie von dem Richtigen hatte. Allerdings war auch dieses bloß schattenhaft und denkbar unkonkret. Bis letzte Nacht: Da hatte der Traumprinz erschreckend deutlich Mr. Jeffries’ Züge angenommen.
»Ach, Miranda, du musst öfter ausgehen, flanieren, tanzen und nach einem Mann aus Fleisch und Blut Ausschau halten«, entschied Georgette. »Aus hartem, wunderbarem Fleisch. Spann deine Flügel aus, Liebes, fang zu flirten an. Mit einem Mann ohne Federkiel und Tinte an den Fingern.«
Hartes, wunderbares Fleisch … Unwillkürlich musste Miranda an Mr. Jeffries’ starke, unbehandschuhte Hände denken. Konnte eine Frau einem solchen Mann widerstehen?
»Das wünsche ich mir für dich«, fuhr Georgette fort. »Ein Abenteuer, das du ersehnst, dem du aber konsequent aus dem Weg gehst. Falls ich ledig bleibe und ein Kind bekomme, weil ich Männern wie Mr. C. nachjage, werde ich dich zu einer Wohngemeinschaft mit mir zwingen. Zwei alte Jungfern, fröhlich vereint.«
Von seltener Selbsterkenntnis erfüllt seufzte sie, beugte sich wieder über die Kolumne, während Miranda wenig amüsiert den Scheitel ihrer Freundin anstarrte.
»Oh, Miss
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