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Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Clare
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sich ganz auf das Brennen in seinen Armen, Schultern und Brustmuskeln. Er hörte kaum das unmenschliche Heulen aus der Zelle irgendwo über ihm, das »Halt-endlich-die-Fresse«-Gebrüll, das durch die Gänge hallte, oder das Wummern der Hände und Füße gegen die schweren Metalltüren, um die Wachen endlich dazu zu bewegen, denjenigen zum Schweigen zu bringen, der dort oben gerade Amok lief. Sein Verstand war genauso konzentriert und klar wie damals in Afghanistan mit dem Zielobjekt vor Augen. Vor sechs Jahren hatte er begriffen, dass man im Gefängnis nur überlebte, wenn man Körper und Verstand in Bestform hielt. Seine Zukunft hatte er bereits verloren. Seine geistige Gesundheit würde er nicht aufs Spiel setzen.
    Einhundertsiebenunddreißig. Einhundertachtunddreißig. Einhundertneununddreißig.
    Er atmete kontrolliert ein und aus. Schweiß tropfte von seiner Stirn und seiner Brust, und seine Arme zitterten. Er zwang sich weiter bis hundertvierzig, obwohl seine Muskeln längst nicht mehr wollten. Die letzten Wiederholungen absolvierte er stöhnend, dann gab er endlich auf und setzte sich schwer atmend auf die Fersen zurück.
    Wie spät war es? Er hatte keine Ahnung. Es gab kein Fenster in seiner Drei-mal-drei-Meter-Zelle, keine Lücke in der Betonmauer, durch die Licht hätte eindringen und ihm einen Hinweis darauf geben können, ob es Tag oder Nacht war. Im Colorado State Penitentiary begann der Tag um fünf Uhr morgens, wenn die Neonlampen angingen, und endete um elf Uhr abends, sobald sie wieder ausgeschaltet wurden.
    Er schloss die Augen und stellte sich das Mondlicht vor, das den am Tag zuvor gefallenen Schnee silbern glitzern ließ, während sich Orion über den Bergen erhob und der Gürtel aus Sternen in der eiskalten Luft funkelte. Es war sechs Jahre her. Sechs Jahre, seit Marc zum letzten Mal den Mond gesehen hatte, die Sterne, die majestätischen Berge. Es hätte auch eine Ewigkeit sein können.
    Seltsam, was er alles vermisste. Nicht nur den Nachthimmel, sondern Sonnenaufgänge, Regenbögen, Gewitter. Nicht nur frisches Obst und Gemüse, sondern auch Vogelgezwitscher, die leuchtenden Farben von Blumen, den Wechsel der Jahreszeiten. Nicht nur Sex, sondern die weiche Haut einer Frau, der Geschmack ihrer Erregung, das Timbre einer weiblichen Stimme.
    Sein Leben war ein eintöniges Einerlei aus Stahl und Beton, aufbereiteter Luft, Dosenfutter, Isolation und Masturbation – steril, kalt und leer. Und so würde es bleiben, bis er starb. Kein Haus in den Bergen. Keine Frau. Keine Chance, Vater zu sein.
    Und wessen Schuld ist das, Vollidiot?
    Seine eigene natürlich.
    Er hatte gedacht, dass sich der Verzicht mit der Zeit weniger schlimm anfühlen würde, aber er hatte sich geirrt. Im Gegenteil: Mit jedem Jahr, das verstrich, war ihm der Mangel umso mehr bewusst, und er fürchtete schon lange, dass auch er eines Tages kreischend und heulend in seiner Zelle randalieren würde wie ein wildes Tier.
    Oh, nein.
Das würde nicht passieren. Das durfte er nicht zulassen.
    Megan brauchte ihn immer noch. Selbst von hier aus hatte er ihr helfen können, hatte mit Zigaretten, Gefallen und Geheimnissen gehandelt, um ihr Leben im Knast und draußen einfacher zu machen. Mit Geld aus seiner Altersversorgung hatte er ihr die Unterkunft in einem der besten Übergangshäuser weit und breit verschafft und durch seinen Anwalt alles in die Wege geleitet, damit Emilys Zukunft gesichert war. Mochte er sich sein eigenes Leben gründlich und irreparabel zerstört haben, Megan und Emily hatten immer noch eine Chance, und er beabsichtigte, für sie da zu sein, sosehr das einem Mann, der eine lebenslängliche Freiheitsstrafe absaß, eben möglich war.
    Im Zellenblock gegenüber steigerte sich das Stampfen und Hämmern zu einem Crescendo. Nun würden jeden Moment die Lichter angehen und die Wachleute kommen, um den Schreihals, wer immer es war, aus der Zelle zu zerren und in die Krankenabteilung zu schleppen. Dort würde man ihn auf einer Bahre anschnallen und mit Beruhigungsmitteln vollpumpen, und die anderen Insassen würden endlich etwas Schlaf bekommen.
    Er hörte, wie sich die Sicherheitsschleuse am Ende des Ganges mit einem Klicken öffnete, dann fiel sie wieder zu. Einzelne rasche Schritte. Ein Wachmann. Nur einer.
    Marc war augenblicklich auf den Füßen, stellte sich rechts von der Tür an die Wand und wartete. Er hatte keine Lust, ein Risiko einzugehen. Dass er einen Bundesagenten getötet hatte, machte ihn unter den Wachleuten

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