Süß ist die Angst
ihr geben können? Mit seiner Schwester durfte er offiziell nicht kommunizieren. Megans Bewährungsauflagen verboten Kontakt zu anderen Straftätern. Sie durfte noch nicht einmal Briefe an ihren Bruder schreiben, aber natürlich wurde diese Regel oft gebrochen, und nicht wenige mussten dafür wieder zurück ins Gefängnis.
Sophie hatte gerade bei der Strafverfolgungsbehörde von Colorado um Hunters Strafakte gebeten, als ihr Blick zufällig auf die Uhr fiel.
»Oh, Mist!«
Sie packte ihren Notizblock und einen Stift und hastete durch den Flur zum Konferenzraum, wo der Rest des I-Teams bereits um den Tisch herum saß und auf sie wartete.
Tom hatte wie immer am Kopf des Tisches Platz genommen. Vor ihm lagen der Notizblock und ein Stapel Zeitungen; ein Stift steckte hinter seinem rechten Ohr, einen anderen hielt er in der Hand. Tom war sehr groß und mit seinem Kreuz wie ein Footballprofi eine einschüchternde Erscheinung. Wenn er in seinem Beruf nicht so brillant gewesen wäre, hätte Sophie schon vor langer Zeit die Kündigung eingereicht. Tom hatte sie von den
News
abgeworben, wo sie als Mädchen für alles eingesetzt worden war und sich tödlich gelangweilt hatte. Tom hatte ihr in einem Monat mehr beigebracht, als sie in vier Jahren Journalistenschule gelernt hatte.
Okay, manchmal war er ein elender Mistkerl und führte die Redaktion wie ein Sklaventreiber, aber – na und? Man musste Menschen, die man respektierte, nicht zwingend mögen.
Tom sah mit finsterer Miene zu ihr auf, als sie eintrat. Dicke graue Locken verdeckten seine Augen fast ganz.
»Toll, dass Sie auch noch aufkreuzen, Alton. Harker, was gibt’s Neues?«
Matt Harker, der Reporter für die Lokalnachrichten, saß zu Toms Linken. Er hatte kurzes, struppiges rotes Haar und Sommersprossen und trug jeden Tag dieselbe zerknitterte Krawatte zu einem anderen zerknitterten Hemd. Nun sah er von seinem Block auf.
»Bürgermeister und Stadtrat zanken sich mal wieder, dieses Mal über das Budget der Feuerwehr. Der Stadtrat will alles beim Alten lassen, aber der Bürgermeister hat sich auf die Seite der Gewerkschaft geschlagen und fordert eine deutliche Tariferhöhung. Ist es nicht immer wieder erstaunlich, was alles geht, wenn im nächsten Herbst Wahlen anstehen?«
Syd Wilson, Chefin vom Dienst, warf Matt über den Rand ihrer neuen Lesebrille einen Blick zu – die neue Lesebrille, die niemand offiziell bemerken durfte. Syd war klein und drahtig und trug ihr mit grauen Strähnen durchzogenes Haar jugendlich kurz und struppig, und wehe, man erinnerte sie daran, dass sie hart auf die fünfzig zuging.
»Wie viel?«
Matt zuckte die Achseln.
»Kaum mehr als zwanzig Zeilen.«
Tom nickte, dann wandte er sich an Joaquin.
»Ich kann die Bürgermeistervisage nicht mehr sehen. Besorgen Sie uns was Frisches aus der Feuerwache. Benoit?«
Natalie Benoit war der Neuzugang im I-Team und sollte Tessa als Polizeireporterin ersetzen. Sie stammte aus einer alten Cajun-Familie und war nach Denver gezogen, nachdem sie und ihre Familie während des Hurrikans Katrina alles verloren hatten. Tom hatte sie vom Fleck weg eingestellt, als er erfahren hatte, dass sie, statt die Stadt zu verlassen, im Community Medical Center geblieben war und bei der Versorgung der Kranken und Sterbenden geholfen hatte. Ihr Bericht über die Tragödie war für den Pulitzerpreis nominiert gewesen.
Natalie hatte langes, dunkles Haar, riesige wasserblaue Augen und einen bezaubernden Südstaatenakzent, eine Kombination, die den Testosteronspiegel eines jeden heterosexuellen Mannes in der Redaktion sprunghaft hatte ansteigen lassen. Zum Leidwesen der Kollegen war sie jedoch sehr zurückhaltend und schien sich selten mit jemandem zu verabreden. Über das, was damals in New Orleans geschehen war, redete sie nicht, und niemand wagte es, sie näher danach zu fragen.
»Bei mir wird es ungefähr dasselbe. Zwei Tierschützer behaupten, sie seien bei der letzten Anti-Pelz-Aktion von Polizisten verprügelt worden. Anscheinend hat ein Beobachter digitales Filmmaterial, das die Behauptungen stützt, muss ziemlich zur Sache gehen. Sie haben sich rechtlichen Beistand besorgt und fordern Schadenersatz. Polizeichef Irving will eine interne Untersuchung einleiten.«
»Ach, tatsächlich.« Tom klang wenig beeindruckt. »Mal wieder?«
Syd gab Zahlen in ihren Rechner ein.
»Können wir irgendwie an Standfotos kommen?«
Natalie lächelte.
»Ist bereits in Arbeit.«
»Was haben Sie, James?«
Kat hob den Blick
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