Süß ist die Angst
bis …«
Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung.
Er wandte sich um und entdeckte Harburg, dessen untere Gesichtshälfte geschwollen und blutig war. Er hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und hielt eine dritte Waffe in der Hand.
Schau an.
Und er hätte gedacht, der Mistkerl sei mindestens bewusstlos.
Marcs Hände juckten, eine der Pistolen aus seinem Hosenbund zu ziehen, aber er wusste, dass er Harburg damit nur provoziert hätte abzudrücken. Woher hatte der Kerl die dritte Waffe?
Du hättest ihn besser abtasten müssen, du Vollidiot.
Er begegnete Harburgs Blick. »Erschieß mich ruhig, das bringt dir nicht viel. Die Wahrheit kennt jetzt jeder. Ob ich lebe oder sterbe, du landest in jedem Fall im Knast!«
Eine Seite von Harburgs Schnurrbart verzog sich zu einem verkrampften Lächeln, dann bewegte er seinen Arm und deutete mit dem Lauf der Waffe auf Sophie, während sein Blick zu Marc zurückglitt. Die Botschaft war klar.
Vielleicht bin ich am Ende, aber dich mache ich vorher noch fertig, indem ich sie umbringe.
Marc konnte nur noch reagieren. Er warf sich in die Schusslinie, zog die Pistole aus dem Bund und drückte ab.
Er sah, wie eine Kugel traf, spürte, wie etwas gegen seine Brust krachte, und wurde auf den Rücken geschleudert. Einen Moment lang blieb er still liegen, versuchte zu atmen und geriet in Panik, als es nicht ging. Und erst mit Verzögerung begriff er, dass er angeschossen worden war.
Verdammt.
Aber Harburg war erledigt, und Sophie in Sicherheit. Sie war unverletzt.
Besser sie als du, Hunter.
Die Zeit schien stehenzubleiben. Oder vielleicht war er auch ohnmächtig gewesen.
Als Nächstes sah er Sophies tränenüberströmtes Gesicht. Sie drückte ihm etwas auf die Eintrittswunde.
»Hunt, Hunt. Bitte bleib bei mir!«
Er holte mühsam Luft, und der Schmerz und der Druck waren unerträglich. Sein Herz klopfte viel zu langsam und unregelmäßig, und er konnte seinen rechten Arm nicht mehr bewegen. Mit der Linken wollte er nach ihr greifen, doch seine Hände waren noch immer gefesselt.
»Bitte … mach sie ab … will nicht …«
Er wollte nicht gefesselt sterben.
Er spürte etwas an seinen Handgelenken, dann war der Stahl weg, und das Gesicht des Cops erschien in seinem Blickfeld. »Halt durch, Hunter. Ein Hubschrauber ist unterwegs. Geschätzte Ankunftszeit in sieben Minuten.«
Aber Marc brauchte keinen Arzt, der ihm sagte, dass seine Chancen, bis zur Ankunft des Rettungshubschraubers zu überleben, gering waren. Er hatte genug Sterbeszenen miterlebt, um zu wissen, wie es aussah und sich anfühlte. Er streckte den Arm nach Sophie aus, weil er ihr unbedingt etwas sagen musste, was er ihr schon vor zwölf Jahren hätte sagen sollen.
»Sophie … ich …«
Aber er verlor wieder das Bewusstsein.
»Gott, nein!« Sophie sah, wie Hunts Lider zufielen, und die Angst um ihn ballte sich eiskalt in ihrem Inneren zusammen. »Ich liebe dich, Marc Hunter. Ich liebe dich. Bitte wach auf!«
»Lass mich mal.« Julian kniete sich neben sie, schob ihre Hände beiseite und drückte das blutgetränkte Stück Stoff, das sie aus Hunts T-Shirt gerissen hatte, gegen das scheußliche Loch in Hunts Brust. »Sechseinhalb Minuten.«
Mit Hunts Blut an den Händen hastete Sophie um die weinende Megan herum an Hunts linke Seite. Immer wieder suchte sie in Julians Gesicht ein Zeichen dafür, dass Hunt es schaffen würde, doch leider sah sie nur Besorgnis.
»Er war gar nicht das Ziel.« Sie nahm Hunts kalte Finger in ihre und versuchte, Leben hineinzureiben. »Ihn sollte die Kugel nicht treffen.«
»Er wusste, was er tat, Sophie. Er ist war lange genug bei einer Sondereinheit, er ist ausgebildeter Profi mit Erfahrung. Er hat eine Entscheidung getroffen. Gib nicht dir die Schuld.«
Julian wollte sie trösten, sie wusste es, aber es klappte nicht.
Gerade hatte sie noch gedacht, nun sei alles vorbei, als Hunt sich plötzlich vor sie geworfen und gefeuert hatte. Sie hatte die Gefahr nicht gesehen, hatte keine Ahnung gehabt, bis es zu spät gewesen war.
Er hatte die Kugel abgefangen, die für sie gedacht gewesen war.
Und wenn nicht bald Hilfe eintraf, würde er sterben.
Falls sie mich erwischen, kehre ich wahrscheinlich im Leichensack zurück.
»Sechs Minuten.«
Während Julian die längsten Minuten in Sophies Leben zählte, hielt sie Hunts Hand, sprach auf ihn ein, liebkoste sein Gesicht. Auch während er bewusstlos war, schien er Schmerzen zu haben, denn seine Brauen waren zusammengezogen,
Weitere Kostenlose Bücher