Süß ist die Angst
kalter Schweiß rann ihm über die Schläfen, und die Kiefer waren zusammengepresst. Sein Atem kam sehr unregelmäßig, und die Muskeln seiner nackten Brust spannten sich bei jedem mühsamen Luftholen. Sein Körper zitterte.
»Ein Schock«, sagte Julian. »Er hat viel Blut verloren.«
Zwei Hilfssheriffs waren eingetroffen, sprachen mit Julian, sahen nach den anderen und forderten einen zweiten Hubschrauber an, als sie feststellten, dass Harburg noch lebte.
»Vier Minuten.«
Dann schlug Hunt die Augen auf. Als er sprach, war es kaum mehr als ein Wispern.
»Sophie?«
»Ich bin hier.« Sie beugte sich vor, so dass er sie sehen konnte, und zwang sich zu einem Lächeln.
Er fand ihren Blick, drückte ihre Finger.
»Es … tut mir … leid, dass ich dich … mit … reingezogen habe.«
»Sch.« Sie strich ihm mit den Knöcheln über die Wange, gab sich größte Mühe, die Tränen zu bremsen, und scheiterte kläglich. »Du musst dich ausruhen. Spar deine Kraft.«
»Nicht weinen. Kein Happy End … für uns, du wusstest … das. Aber du wirst … Glück finden … mit … dem richtigen Mann.«
»Rede nicht so einen Blödsinn, Marc Hunter, verdammt.«
»Du hast mir geholfen … Megan zu finden. Danke … reicht nicht.« Er drehte den Kopf, sah seine Schwester, die stumm weinte und das Baby im Arm hielt. »Liebe dich, Megan. Versprich mir … keine Drogen mehr. Sei … eine gute Mom. Sag Emily … ich … liebe sie auch.«
»Versprochen.« Megan rang um Atem, um das Schluchzen zu unterdrücken, und hielt das Baby so, dass er es sehen konnte. Emilys kleine Faust schloss sich um seinen Finger.
»Cop …« Hunts Blick glitt zu Julian. »Pass auf Sophie auf … und Megan und Emily.«
»Das mach ich, das weißt du.« Julian begegnete Sophies Blick. »Dreieinhalb Minuten.«
»Elfe?« Hunts Blick glitt suchend umher, bis er sie fand. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Ich … liebe dich … immer schon … jeden Tag. Dich. Meine Elfe.«
»Ich liebe dich auch, hörst du mich?« Sie schluchzte nun hemmungslos.
Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen.
»Ich … höre dich.«
Ihre Blicke verschränkten sich, und sie sah die Wahrheit in seinen Augen, und einen Moment lang gab es nur sie beide – nur sie und Hunt.
»Du bedeutest mir alles, Marc Hunter. Alles!« Sie beugte sich herab, presste ihre Lippen auf seine und die Hand auf das schwache Trommeln seines Herzens.
Er erwiderte den Kuss mit eiskalten Lippen.
Und dann zog das entfernte Wummern von Rotoren ihren Blick zum Himmel. Als sie sich wieder ihm zuwandte, waren seine Augen geschlossen.
Hunts Blut noch immer an den Händen, durchlebte Sophie die Fahrt zurück nach Denver und das anschließende Verhör wie in Trance. Grelle Lichter, Gesichter, die in ihr Blickfeld kamen und wieder daraus verschwanden, Stimmen, mitfühlend, barsch. Sie war sich kaum bewusst, dass man ihr einen Kaffee brachte, dass Polizeichef Irving ihr Fragen stellte, dass er und Julian sich direkt vor ihr anbrüllten, denn ihre Gedanken ließen sich nur dann festhalten, wenn sie sich auf Hunt bezogen.
Hatte man ihm Schmerzmittel gegeben? War er im OP ? Lebte er noch?
Lieber Gott, bitte lass ihn noch leben!
»Offensichtlich ist Ihnen Ihre Objektivität flöten gegangen, Darcangelo. Gegen sie steht bereits eine ernsthafte Klage im Raum. Das gefällt mir genauso wenig wie Ihnen, aber wir müssen sie hierbehalten, bis wir uns in diesem beschissenen chaotischen Fall endlich einen Überblick verschafft haben.«
»Das wird sie aber nicht schaffen. Sehen Sie sie sich doch an. Herrgott, Irving, Sie wissen genau, dass diese vermeintliche Klage gegen sie kompletter Bullshit ist, und sie hat gerade die Hölle durchlebt.«
»Braucht sie Ihrer Ansicht nach medizinische Hilfe?«
»Sie steht unter Schock, sehen Sie das denn nicht selbst?«
Aber Sophie war es egal, ob Irving sie in eine Zelle stecken oder den Löwen zum Fraß vorwerfen würde. Das Einzige, was sie interessierte, war das Gebet, das sie stumm und unablässig im Geist formulierte.
Lieber Gott, lass ihn leben. Bitte lass ihn leben!
Er hatte die Augen nicht mehr geöffnet, nicht einmal, als der Hubschrauber gelandet war, sie alle mit den Scheinwerfern geblendet und eine Schneefontäne aufgewirbelt hatte. Die Sanitäter hatten ihn an eine Sauerstoffmaske angeschlossen, eine Blutdruckmanschette um seinen Arm geschnallt, Elektroden auf seine Brust geklebt und ihn an zwei Infusionen gehängt. Was sie
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