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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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an.
    Bei einer Reparatur an einem der riesigen Teleskope sei er in die Tiefe gestürzt und dabei umgekommen. Während sie das erzählte, wischte sie sich geschickt die Augen mit einem
Taschentuch, weshalb der Rektor ihr glaubte und das Kollegium bat, von nun an mit den Schicksalsschlägen der Obstbauernfamilie behutsamer umzugehen. Das wiederum tat Annie gut, weil die
Lehrerin sie von da an in den Pausen herumtoben ließ.
    Zu Hause berichtete Nette: »Dein Rektor meinte, ich soll dich nicht so häufig draußen lassen, Regen macht krank, und von Sonne kannst du Krebs kriegen.«
    Sie mussten beide lachen: »Erklär das mal den Kirschbäumen.«
    »Und du sollst ein Instrument lernen.«
    »Gut, ich lerne Blockflöte«, feixte Annie.
    »Spinnst du jetzt?«, lachte Nette und fuhr ihrer Tochter liebevoll mit der Hand durch die Haare. Übers Flötenspiel waren sie sich einig: Das ging gar nicht.
    In Annies Klassenzimmer standen blecherne Stühle, die ein widerliches Geräusch machten, wenn man sie über den Fußboden schob. In die schäbigen
Schulbänke waren Liebe und Hass von Jahren hineingeritzt, Annie las mehr auf Tischplatten als in Büchern und hatte in einer Bank sogar mal den Namen Nette-Marie entdeckt, mit einem Herz
drum herum. Das musste lange her sein, dass sich einer in ihre Mutter verknallt hatte, wahrscheinlich war das damals gewesen, als sie Berlin gründeten.
    Opa behauptete, dass schon die alten Römer Tische und Wände vollgekritzelt hätten: » Sokrates was here , bloß auf Latein, auch
unanständige Sachen.«
    »Los, sag was!«, bettelte sie ihn an.
    »Murtis, bene felas.«
    »Was ist das?«
    »Latein.«
    »Logisch, aber was heißt das?«
    »Murtis war wohl ein Mädchen oder eine Frau.«
    »Und, was hat sie getan, die Frau?«
    »Murtis, du bläst gut!«
    »Sie bläst gut?« Annie kreischte begeistert. »Das sag ich in der Schule.«
    Opa lachte sich ins Fäustchen, weil er die drohende Spannung in Schule und Familie als Anregung für seinen Kreislauf willkommen hieß. Und seine Enkelin präsentierte die
Anekdote schnurstracks als Beitrag im Geschichtsunterricht. Nun wurde der Alte zum Rektor bestellt, das Gespräch muss allerdings denkbar unglücklich verlaufen sein, denn er hatte von nun
an in der Schule Hausverbot.
    Am Abend ließ Nette die Teller empört auf die Tischplatte krachen: »Ich warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem mein erbärmlicher Vater keinen Mist mehr erzählen
kann.«
    »Meinst du jetzt meinen Tod oder was?«, fragte der erschrocken.
    »Alt genug bist du ja dafür!« Sie pfefferte das Besteck hinter den Tellern her. Annie schaute hin zu ihm und her zu ihr.
    »Begreifst du denn nicht«, bedrängte Opa seine Tochter, »was dieses Pack mit deinem Kind macht? Es wird in der Schule kastriert!«
    Nette kreischte: »Annie ist ein Mädchen, alter Mann. Sie hat nichts, was kastriert werden könnte.«
    »Ich meine doch ganz was anderes«, wehrte er sich weitaus besonnener als sie. »Wir haben seinerzeit Scherben auf den Parkplatz geschüttet, wir haben Stinkbomben geworfen,
haben die Bremse am Fahrrad unseres Klassenlehrers demontiert, Studienräte ins Klo gesperrt oder mit Wasser begossen. Das gehörte zur Schule dazu, die guten Lehrer lachten darüber,
die noch besseren haben sich herrlich an uns gerächt, mit Gewaltmärschen an Wandertagen – gelitten haben wir, dass es eine Freude war. Heutzutage sind nicht nur viele
Elternhäuser zerrüttet, sondern die Schulhäuser ebenso, immer Stress, immer Streit. Beide Orte verkommen vor Herzlosigkeit, die Eltern und die Lehrer sind Feinde der Kinder
geworden.«
    »Woher weißt du denn«, stichelte Nette, »was heutzutage in den Schulen passiert, du bist schließlich ewig nicht mehr drin gewesen?«
    »Ich war doch gerade erst da!«
    Opa öffnete eine Flasche Bier, der Kronkorken fiel auf den Fußboden. Nette hob ihn genervt auf und warf ihn stöhnend in den Abfalleimer. Ihr Vater steckte den Zeigefinger in die
Flaschenhalsöffnung und ploppte – auch ein Ritual seit Jahrzehnten –, nahm den ersten Schluck und atmete kräftig durch.
    »Schule bedeutet eigentlich Erholung«, dozierte er. »Es ist die Phase, in der ein Mensch seine Zeit mit Denken und Lernen vertrödeln darf. Die alten Griechen kannten
keinen Leistungsdruck.«
    »Schau hin, wie es den Griechen heute geht, alles futsch, nur noch Ruinen. Pleite sind sie dazu«, wandte Nette ein.
    »Sie sind immerhin mal Europameister geworden!«
    Nette winkte ab: »Klar, Fußballer sind

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