Sueße kleine graue Maus
Übrigens, als ich die Wohnung aufgelöst habe, habe ich all deine Sachen zusammengepackt und sie hierhergeschickt.
Du kannst ja selbst entscheiden, was du damit anfangen willst. Leb wohl.«
Ranas Herz krampfte sich zusammen. Das war's Also. Das war der endgültige Abschied. Sie konnte nicht fassen, daß sie und ihre Mutter so unpersönlich auseinandergingen. Vermutlich würden sie sich nie Wiedersehen.
»Mutter«, rief sie mit bebender Stimme und machte ein paar Schritte auf Susan zu. Diese drehte sich ungehalten um. Rana blieb stehen.
»Du sagst, ich lebe in Sack und Asche, aber das stimmt nicht. Ich besitze mehr als jemals zuvor.« Verzweifelt hielt sie inne und wartete auf eine Reaktion.
»Ich weiß jetzt, was wirkliche Schönheit bedeutet. Ich weiß, wie es ist, zu lieben. Das hat mich Trent gelehrt, auch wenn er selbst es nicht weiß. Ich habe gedacht, ich hasse dich. Aber das stimmt nicht. Ich liebe dich, Mutter, nicht weil du so bist, wie du bist, sondern trotzdem. Und weil ich dich liebe, tut es mir leid, daß du nie erfahren wirst, welches Glück wahre Liebe bringen kann.«
Sie erwartete nichts, und Susan hatte ihr auch nichts zu geben. Stumm drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Haus.
»Kommst du mit oder nicht?«
»Ich ...«
»Sprich lauter, Liebling. Ich rufe vom Umkleideraum aus an. Hier ist es verdammt laut. Kommst du mit auf die Party? Ich bin der einzige Mann im Team ohne Begleiterin. So grausam bist du nicht zu mir, oder?«
Seit Susans Besuch hatte Rana mit sich gekämpft. Sie hatte sich immer noch nicht entschieden. Die Footballmannschaft war am vergangenen Tag nach Houston zurückgekehrt. Am Vormittag hatten die Spieler jedoch trainieren müssen, so daß es Trent nicht möglich gewesen war, nach Galveston zu fahren. In ein paar Stunden sollte die Party beginnen. Trent mußte jetzt endlich wissen, ob sie ihn begleiten würde oder nicht.
Rana hatte stundenlang darüber nachgedacht. So schmerzhaft das letzte Zusammentreffen mit ihrer Mutter auch gewesen war, es hatte Rana doch veranlaßt, sich ernstlich Gedanken über ihre Liebe zu Trent zu machen. Und über seine Liebe zu ihr. Er hatte vor seiner Abreise gesagt, daß er sie liebte, und das bei jedem seiner Anrufe wiederholt. Während ihrer Trennung hatten sich seine Gefühl ihr gegenüber nicht verändert. Rana hatte erwartet, ihn nie wiederzusehen, aber jetzt war ihr klar, daß Trent sie als Teil seines Lebens betrachtete.
Die Frage war nur: Liebte er sie für das, was sie war, oder für das, was sie nicht war? Würde er Rana noch genauso lieben wie Ana? Sie konnte das Versteckspiel nicht ewig fortführen. Zumindest das war ihr klar geworden. Sie war Rana - ebenso wie Ana. Das Leben hinter der häßlichen Fassade war genauso eine Lüge wie das Leben hinter Ranas glitzernder Aufmachung.
Liebe bedeutete, den anderen so zu akzeptieren, wie er war. Entweder liebte Trent sie oder nicht. Die Probe aufs Exempel würde hart sein, aber Rana mußte sie durchstehen. Sonst gäbe es keine Zukunft für sie beide.
Natürlich mußte sie auch sich selbst auf die Probe stellen. Das würde ihr am schwersten fallen. Sie wußte nicht, ob sie durchhalten könnte.
»Ja, ich komme«, erklärte sie ruhig.
»Großartig! Ich schicke dir einen Wagen.«
»Nein! Du bist verrückt!« »Verrückt nach dir, Liebling! Wenn ich dich sehe, kann ich für nichts mehr garantieren.« Die Doppeldeutigkeit seiner Worte war ihm nicht bewußt.
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, ging Rana wie in Trance ins Bad. Sie stellte sich vor den Spiegel und zog langsam die blaugetönte Brille ab. Sie zerbrach sie am Rand der Badewanne und warf die Scherben in den Abfallkorb. Sie schüttelte das Haar aus dem Gesicht und band es zu einem Pferdeschwanz.
Dann öffnete sie den Schrank und holte ihre Kosmetiktasche heraus.
10
Sie sah phantastisch aus. Ihr weißes Kleid war extra für ihre zarte Gestalt entworfen worden. Als Rana die Schrankkoffer durchwühlte, die ihre Mutter aus New York geschickt hatte, entschied sie sich, dieses Kleid auf der Party zu tragen. Es war ihr liebstes Kleidungsstück und sehr charakteristisch für >Rana<.
Die fließende Seide betonte und umschmeichelte jede Rundung ihres Körpers. Der Ausschnitt, der eine Schulter freiließ, war mit kleinen weißen Perlen bestickt. Dazu trug Rana keinen Schmuck außer glitzernden Brillantohrringen. Sie hatte selbst ihr Haar in Form gebracht und es eine halbe Stunde lang eingedreht. Jetzt schüttelte sie
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