Sueße Kuesse nur aus Rache
sie mit den abscheulichsten Bezeichnungen beleidigt hatte. Mit verzerrtem Gesicht trommelte sie mit den Fäusten auf ihn ein, außer sich vor Wut.
„Sie haben mir den Job angeboten!“, rief sie verzweifelt. „Die Agentur hat mir bestätigt, dass ich den Job bekommen habe. Sie haben mir das Honorar genannt, den Ablauf und alles andere. Und dann haben Sie alles wieder zurückgenommen! Für wen halten Sie sich eigentlich, Sie arroganter Idiot?“
Er stieß sie zurück, als sei sie eine leblose Stoffpuppe. Sie stolperte rückwärts gegen das Sideboard, fing sich wieder, ihre Lungen pumpten, sie bebte vor Zorn. Hilflos schloss sich ihre Faust um einen Gegenstand, den sie nicht benennen konnte. Aber es war ihr egal. In ihrem Kopf überschlug sich alles.
„Sie verdammter Bastard“, schrie sie mit bebender Stimme. „Ich bin vor Ihnen gekrochen. Und das habe ich nun davon. Dass Sie mich eine Hure nennen.“
„Raus hier, Kat, auf der Stelle. Oder ich rufe den Sicherheitsdienst. Dann werden die Männer Sie hinausbefördern.“
Seine Stimme klang kalt wie Eis. Er vernichtete sie gleichsam, warf sie hinaus – mit nichts in der Hand. Nichts konnte sie jetzt vor dem Verrückten mit dem Messer beschützen, mit dem er es auf ihr Gesicht abgesehen hatte.
Ihre rechte Hand verkrampfte sich. Sie hatte sich um etwas geschlossen, was sich wie eine Uhr anfühlte.
Seine Uhr.
Wie in einem Albtraum hörte sie Mikes Stimme. Bring mir alles, okay? Bares, Schmuck – egal …
Ohne dass es ihr bewusst war, verstärkte sie allmählich ihren Griff. Zeit und Raum verschwammen. Ihr Brustkorb drohte zu platzen. Ihr Atem stand still.
Wie aus dunkler Ferne beobachtete sie, dass Angelos Petrakos langsam auf die Tür zuschlenderte. Sie wandte sich ab. Und registrierte – ohne es wirklich wahrzunehmen, so leer war ihr Kopf –, wie seine Armbanduhr unbemerkt in ihre Handtasche glitt. Dann klappte sie den Verschluss zu.
„Raus! Und zwar sofort!“
Angelos Petrakos’ Stimme stach zu wie eine scharfe Klinge.
Kat drehte sich um. Sie hatte gleichsam aufgehört zu existieren und sich in eine andere verwandelt. Wie durch einen Nebel sah sie sich zur Tür gehen. Unmöglich konnte sie in diesem Wesen stecken, das die Handtasche an die Brust presste, wo sie wie Feuer brannte, als sie an ihm vorbeiging. Unmöglich! Das konnte nicht sie sein. Nicht Kat …
In ihrem Kopf schrie eine Stimme auf. Leg die Uhr zurück! Sag etwas – irgendetwas! Aber gib sie zurück. Oder lass sie wenigstens im Aufzug liegen!
Doch sie konnte es nicht. Jene Kat, die die Uhr an sich genommen hatte, widersprach. Diese Uhr gehörte Mike, der unten auf der Straße auf sie wartete. Mit dem Messer in der Jackentasche.
Leise glitten die Lifttüren auf. Vor ihr erstreckte sich die riesige Hotelhalle. Kats Absätze klapperten auf dem glänzenden Steinboden. Es war spät geworden und die Lobby so gut wie leer.
Mit klopfendem Herzen und aschfahlem Gesicht ging Kat auf die gläsernen Drehtüren des Eingangs zu, ohne nach links und rechts zu schauen. Deshalb sah sie auch nicht, wie die Dame an der Rezeption den Telefonhörer auflegte und jemandem zunickte. Sie bemerkte auch den Sicherheitsbeamten nicht, der ihr gezielt folgte. Als sie die Hand ausstreckte, um die Drehtür zu bedienen, stand er plötzlich vor ihr.
„Verzeihen Sie, Miss. Würden Sie mir bitte folgen?“
Um diese Nachtzeit war es ruhig in der Polizeiinspektion. Die Beamten hatten Kat in der Lobby festgenommen, alarmiert vom Sicherheitsdienst des Hotels.
Angelos Petrakos hatte, so schien es, erstaunlich schnell reagiert. Noch bevor Kat aus dem Hotel schlüpfen konnte, hatte er schon mit dem Empfang telefoniert und den Verlust seiner Armbanduhr gemeldet. Nun war er auf dem Weg zur Polizei, um sowohl die Frau wie seine Uhr zu identifizieren … eine Platinuhr mit Diamanten und handgearbeitetem Schweizer Mechanismus.
Kat war sich bewusst, dass man sie des Diebstahls bezichtigen würde.
Sie würde keinen Einwand erheben.
Als sie vor dem Hotel in das Polizeiauto gestiegen war, war ihr Blick auf die andere Straßenseite gewandert. Dort wartete Mike auf seinem Motorrad. Wenn sie ohne etwas in der Hand die Polizeistation verlassen würde, wäre sie ihm ausgeliefert. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob sie der Polizei von ihm erzählen sollte. Aber würde man ihr Glauben schenken? Die Beamten nähmen vermutlich an, sie wolle von ihrem Diebstahl ablenken – außerdem, was könnten sie schon
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