Süße Küsse nur aus Rache?
als sie die Flasche absetzte. Sie hatte ihre Beine weit ausgestreckt, ohne jedoch in seine Nähe zu geraten.
Sie blickte sich um und genoss die Stille, die schneebedeckten Gipfel und grünen Hänge. Unter ihnen fiel der Grat in ein tiefes Tal ab, das, soweit sie erkennen konnte, unbewohnt war.
Sie fühlte sich wie auf dem Dach der Welt.
Als gäbe es weit und breit nur sie.
Nur der Wind summte sein Lied, sonst war es still. Die Sonne blendete, und Thea war froh über ihre Sonnenbrille. Aus einer Seitentasche kramte sie Sonnencreme hervor und rieb sich damit ein.
Angelos sah ihr dabei zu. Sie widmete sich vollkommen ihrer Tätigkeit und würdigte ihn keines Blickes. Doch das störte ihn nicht weiter. Sie stand einfach unter seiner Beobachtung. War sein Studienobjekt.
Wieder hatte sie sich gewandelt. Die gepflegte, soignierte Thea der vergangenen Tage war hier oben eine andere geworden. Nicht nur ihre ganze Erscheinung hatte sich mit der Bergausrüstung und dem streng zurückgesteckten Haar verändert. Auch die Art, wie sie sich in der Natur gab, zeigte ihm wieder eine neue Seite an ihr. Ruhig saß sie in der Sonne und genoss die Stille. Nun zog sie die Beine an, umschloss die Knie mit beiden Armen und betrachtete die Umgebung.
„Der Berg da drüben ist das Hohenhorn“, hörte er sich sagen, während er auf den höchsten Gipfel deutete, zu dem ihr Blick gegangen war. „Und unter uns, das ist das Heinsertal. Es geht fast tausend Meter senkrecht hinunter.“
Sie schreckte zusammen, als er ihre Schulter berührte. Doch Angelos erklärte mit seiner beruhigenden, tiefen Stimme: „Schauen Sie, da drüben unterhalb des Hohenhorns – da schweben zwei Adler in der Luft!“
Sie wandte den Kopf und versuchte, die dunklen Punkte auszumachen, zu denen sein ausgestreckter Arm wies.
„Ich kann sie sehen!“, rief sie aus. Fasziniert beobachtete sie, wie das Adlerpaar elegant durch die Bergwelt glitt. Wortlos reichte er ihr ein Fernglas.
„Schauen Sie nicht direkt in die Sonne!“, riet er ihr.
Es war schwierig, die Adler weiter im Blickfeld zu behalten, als sie sich vom Aufwind treiben ließen. Schließlich gab sie das Fernglas zurück. Angelos nahm es und stellte es wieder auf seine Augenschärfe ein. Ihr Blick wanderte von den Großvögeln zu Angelos. Er war völlig in die Beobachtung vertieft. Hier oben fühlt er sich zu Hause, dachte sie.
Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch setzte sie ihre Betrachtung fort.
Nach einer Weile waren die Adler nicht mehr zu erkennen. Angelos nahm das Fernglas von den Augen und wandte sich wieder Thea zu. Sie konnte nicht rasch genug seinem Blick ausweichen, fühlte sich aber dennoch geschützt durch die dunklen Brillengläser.
Ich kann ihn sehen, er kann mich sehen, aber wir sehen einander nicht …
Dieser Gedanke ging ihr durch Kopf. Seltsam dachte sie.
Angelos unterbrach die Stille. „Wie geht es Ihren Füßen? Haben Sie Blasen bekommen?“
Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht. Die Stiefel passen sehr gut.“
„Sicher. Doch sie hätten ein bisschen langsamer und sorgfältiger eingelaufen werden sollen. Ich habe ein ziemliches Tempo vorgelegt.“
Thea antwortete nicht gleich. Stattdessen beugte sie sich vor, weg von ihm, um das Panorama zu genießen.
Angelos starrte nun auf ihren Hinterkopf. „Es muss anstrengend für Sie gewesen sein.“ Er hielt kurz inne. „Ich hätte etwas langsamer gehen sollen.“
Sie behielt ihr Schweigen bei.
„Sie bitten nie um einen Gefallen, habe ich recht?“
„Das habe ich einmal getan“, antwortete sie hohl. „Doch ich habe meine Lektion gelernt.“
Das beiderseitig einsetzende Schweigen wurde nur vom Klagen des Windes begleitet.
„Nicht jede“, sagte Angelos schließlich sanft.
Thea drehte sich zu ihm um. Unter der Sicherheit der dunklen Gläser konnte sie ihn genau fixieren.
„Was meinen Sie damit?“, gab sie zurück. Er bemerkte die Schärfe in ihrem Ton, aber es war kein Ärger darin. Furcht vielleicht?
„Entspannen Sie sich, Kat. Oder glauben Sie im Ernst, ich würde Sie in den Abgrund stoßen?“
Er sah ihr Zucken und bemerkte, wie sie es zu verbergen suchte. Von einem seltsamen Gefühl übermannt, erhob er sich abrupt. „Zeit, zurückzugehen.“
Als sie beim Chalet ankamen, hatte Thea schwere Beine. Der Abstieg war anstrengender gewesen als der Aufstieg, und ihre Beine zitterten, als sie in der Eingangshalle mühsam die Schnürsenkel öffnete. Doch sie beschwerte sich nicht, sondern nickte
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