Süße Küsse nur aus Rache?
Angelos, der fragend zu ihr hinübersah, nur zu. „Nehmen Sie ein heißes Bad“, sagte er, „bevor sie etwas anderes anfangen.“
Sie folgte seinem Rat.
Danach fühlte sie sich müde – erschöpft am ganzen Körper –, doch ein umfassendes Wohlgefühl machte sich unerklärlicherweise in ihr breit. Es war früher Abend geworden. Eine Zeit lang stand sie draußen auf ihrem Balkon und blickte hinab ins Tal. Am anderen Ende schimmerten die Lichter des Dorfes. Sie spürte einen unendlichen Frieden. Alles schien so weit entfernt.
Sie versuchte, sich Giles’ Gesicht vorzustellen, doch es gelang ihr nicht. Wenige Tage zuvor hatte sie noch geglaubt, ihre Zukunft läge in seinen Händen und ihr Herzenswunsch hätte sich erfüllt. Doch diese Zukunft schien ihr entglitten zu sein. Sie hatte sich in Nichts aufgelöst.
Die Dämmerung hatte sich über das dunkle Tal gelegt. Majestätisch ragten die Berge gegenüber empor, gigantisch, unantastbar. Die hohe Gestalt auf der anderen Seite des Balkons nahm sie nicht wahr.
Angelos hatte ihr den Kopf zugewandt und verharrte reglos. Er beobachtete sie.
Auch die Fragezeichen, die sich gleichsam auf seiner gerunzelten Stirn gebildet hatten, bemerkte Thea nicht.
Das gemeinsame Abendbrot stellte eine neue Herausforderung für sie dar. Als Trudi, die junge Magd, sie rief, war Thea aufgeregt. Sie hatte sich leger gekleidet, ihr Haar hochgebunden und auf Make-up verzichtet. Angelos trug wieder einen Kaschmirpulli – diesmal in Marineblau – und hatte die Ärmel hochgekrempelt.
Thea hatte große Mühe, nicht ständig seine muskulösen, gebräunten Unterarme anzustarren. Sie wandte den Blick von ihm ab und bestaunte stattdessen das prasselnde Feuer in dem handgearbeiteten Kachelofen. Der gesamte Raum wirkte urgemütlich und war von alten Leuchten in sanftes Licht getaucht. Dicke Teppiche und weiche Sofas, die zum Ausruhen einluden, vervollständigten den Eindruck.
Angelos hatte ein Bier vor sich und Thea bestellte bei Franz, dem älteren Hausdiener, einen Obstsaft und bekam Apfelsaft serviert.
Sie nippte an dem ihr unbekannten Getränk und fand es sehr erfrischend.
„Wie geht es Ihren Füßen?“, fragte Angelos vorsichtig.
„Ganz gut.“
Er nickte. „Morgen werden wir einen Ruhetag einlegen. Wir sollten Ihren untrainierten Körper nicht überstrapazieren.“
Sie schwieg. Was hätte sie auch erwidern sollen? Dass sie eigentlich überhaupt nicht hier sein sollte, sondern nach Hause wollte? Doch sie sagte nichts dergleichen. Stattdessen folgte sie Angelos ins Speisezimmer. Ein weiterer behaglicher Raum mit einem Kaminfeuer, schweren dunkelgrünen Vorhängen an goldfarbenen Metallringen und dicken Kerzen auf einem riesigen Tisch mit Kiefernplatte.
Das Chalet entsprach genau ihrer Vorstellung eines luxuriösen Bergbauernhauses. Eine leicht abwegige Beschreibung für eine Immobilie, die sich im Besitz von Angelos Petrakos befand.
Thea war hungrig und genoss das herzhafte Essen. Wildpastete, gefolgt von paniertem Schnitzel und Selleriesalat. Eine Million Kalorien, vermutete sie, doch heute war ihr das egal, und sie aß mit großem Appetit.
Wieder stand sie unter Beobachtung. „Die frische Luft macht hungrig“, bemerkte er. „Und die viele Bewegung selbstverständlich.“
Sie sah auf.
„Schön, dass Sie so gut essen.“ Er erläuterte seinen Kommentar. „Ich war gespannt, ob Sie überhaupt einen Bissen zu sich nehmen.“
„Als Model gewöhnt man sich rasch an Unterernährung“, gab sie trocken zurück.
„Ihnen gefällt dieser Beruf nicht, stimmt’s?“ Sein Tonfall veränderte sich. „War das einer von Giles’ Vorzügen, dass er Ihnen etwas anderes bot, als Model zu sein? Außer natürlich dem Titel und seinem Geld“, beendete er den Satz spöttisch.
Sie schwieg eine Weile. „Nein“, erklärte sie dann.
„Würden Sie sagen, dass Sie ihn geliebt haben?“ Noch immer lag der leise Spott in seinem Ton.
„Nein. Aber ich habe ihn sehr gemocht, und ich wäre ihm eine sehr gute Ehefrau gewesen.“
„Auch wenn Ihre Heirat auf einem Gebäude von Lügen aufgebaut gewesen wäre?“
Thea musste schlucken. Sie wollte nicht zugeben, dass sie Giles getäuscht hatte. Was kümmerte es sie, welche Meinung Angelos Petrakos von ihr hatte? Er bedeutete ihr schließlich nichts – gar nichts! Außer, dass sie ihn hasste …
Interessiert musterte er sie von der gegenüberliegenden Seite des Tisches. Die lässige Kleidung tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Ihr Teint
Weitere Kostenlose Bücher