Süße Küsse nur aus Rache?
vielfältigen Anforderungen, welche die Leitung von Petrakos International mit sich brachten.
Zudem würde keine der Frauen, die er kannte, jemals hierherkommen. Die Frauen, mit denen er eine Liaison eingegangen war, wären nie und nimmer damit zufrieden, ihre Zeit in dieser gottverlassenen Gegend zu verbringen – tagelang über Berggipfel, durch Täler und auf Kämmen zu wandern. Ihm fiel auch keine Einzige ein, die sich einen Vortrag über tektonische Platten hätte anhören wollen.
Er machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Woher stammt Ihr Interesse an dieser Wissenschaft?“, fragte er spontan nach.
„Weil ich davon bisher keine Ahnung hatte“, gab sie freimütig zu. „Es gibt so vieles, das ich nicht weiß, auf so vielen Gebieten.“
Wieder einmal sah er sie mit jenem unergründlichen Ausdruck an, der ihr bei ihm schon vertraut war.
„Nichts zu wissen ist eine Sache“, sagte sie. „In diesem Zustand zu verharren eine andere.“
Ein Glitzern trat in seinen Augen. „Ein weiser Spruch“, kommentierte er.
„Den habe ich von Ihnen“, antwortete sie. „Als ich zugab, von Monte Carlo nicht mehr zu wissen, als dass die Stadt von reichen Menschen wimmelt. Damals habe ich Ihnen Ihre Bemerkung verübelt. Doch später habe ich mich daran erinnert.“ Sie trank einen Schluck von ihrem Apfelsaft. „Nur Dummköpfe bleiben freiwillig dumm. Ich habe es vorgezogen dazuzulernen.“
„Das haben Sie, und zwar gewaltig“, sagte er. „Sie haben sich fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Ich meine damit nicht ausschließlich Ihr Erscheinungsbild oder Ihren Akzent. Es handelt sich um wesentlich mehr.“
Sie wich seinem Blick aus. „Sie kannten mich doch gar nicht.“
„Doch. Genug.“ Seine Entgegnung klang unwirsch. Dann stimmte er wieder einen milderen Ton an. „Und ich kenne Sie immer noch.“
Seine Stimme klang wie Seide auf der Haut, fand Thea.
Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Gefahr!
Dieses Gefühl hielt an, auch nach dem Essen, als im Salon der Kaffee serviert wurde. Bevor sie ihre Tasse aufnahm, wanderte Thea hinüber zu dem gut sortierten Bücherschrank und kehrte mit einem dicken Atlas zurück, den sie auf dem Beistelltisch ausbreitete.
„Sie wollen tatsächlich mehr über das Wissensgebiet tektonischer Platten und der Gebirgsformationen erfahren?“, stellte er fest und ließ sich wie selbstverständlich neben ihr nieder. Er schlug den Atlas auf.
Ihre Anspannung wuchs. Er war beinahe auf Tuchfühlung zu ihr gegangen. Als ob er ihre Unruhe gespürt hätte, unterbrach er seine Erklärungen und wandte sich ihr zu. Einen endlosen Augenblick lang sah er sie an.
Zu nahe! Viel, viel zu nahe! Ein Anflug von Panik überfiel sie.
Er straffte sich, stand auf und ging hinüber zu einer Nische. Kurze Zeit später war der Raum erfüllt von Musik, Bach oder Vivaldi, wie sie vermutete. Es gefiel ihr, und sie kuschelte sich in die Sofaecke, zog die Beine an und gönnte sich das Vergnügen, einfach nur zuzuhören.
Angelos setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen in die andere Ecke. Er schien damit zufrieden, Kaffee zu trinken und sich ebenfalls an der Musik zu erfreuen. Im Kachelofen knisterte das wärmende Feuer, eine gemütliche, schläfrige Stimmung breitete sich aus.
„Sie sehen müde aus“, hörte sie Angelos sagen und blinzelte. „Das kommt von der frischen Luft und der Anstrengung. Warum gehen Sie nicht schlafen?“
Wie auf Kommando stellte Thea die leere Tasse auf den Tisch und stand auf. Sie war unschlüssig, wie sie sich verabschieden sollte. Schließlich wünschte sie „Gute Nacht“ und verschwand in ihr Schlafzimmer.
Sie träumte von Bergen, Sonne und Wind, und als sie erwachte, war es schon spät am Morgen.
Es sollte ein außergewöhnlicher Tag werden. Nach dem Frühstück fuhr sie mit Angelos hinunter ins Dorf. Bald darauf glitten sie hoch über den Wiesen, die im Winter zu rasanten Skipisten wurden, hinauf zu dem etwas abseits des Skigebiets gelegenen Restaurant. Draußen war gedeckt, und sie nahmen einen Imbiss ein.
Wieder erwies es sich, dass Angelos über ein erstaunliches Wissen verfügte. Gespannt hörte Thea ihm zu. Hatte sie eine andere Wahl? Sie musste die Situation so akzeptieren, wie sie sich darstellte. Angelos behandelte sie freundlich und zuvorkommend, ohne die Grobheiten, die sie sonst von ihm gewohnt war.
Nach dem Essen führte er sie zum Gletscher hinauf. Vom Bergrestaurant aus war es nur ein kurzer Weg. Oben angekommen erklärte er
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