Süße Teilchen: Roman (German Edition)
er. »Aber deswegen heirate ich noch lange nicht irgendeine.«
Wir haben eine Flasche Wein bestellt. Zwei Drittel des Weins habe ich getrunken. Vielleicht liegt es daran, dass ich seine Worte im ersten Augenblick persönlich nehme und mir erst dann sage, dass James gemeint hat, deshalb habe er bisher noch nicht geheiratet.
Kurz darauf laufe ich zur Toilette und betrachte mich in dem Spiegel über dem Waschbecken. Ich habe mich schon ewig nicht mehr gewogen, doch mein Gesicht kommt mir ein wenig hager vor. Heißt es nicht, wenn man älter wird, solle man dem Gesicht zuliebe nicht zu mager werden? Wie typisch, dass ich mein Leben rückwärts lebe. In meiner Jugend hatte ich eine Kleidergröße zu viel, jetzt im hohen Alter von dreiunddreißig ist es eine Nummer zu wenig.
Der Alkohol hat mein Gesicht gerötet. Ich benetze es mit kaltem Wasser. Als ich zurückkehre, plaudert James mit dem neuen Paar am Nachbartisch. Sie lachen über irgendetwas. Selbst wenn ich wollte, könnte ich James jetzt nicht mehr fragen, wie er die Worte eben gemeint hat. Die Chance ist vertan.
Auf dem Rückweg halten wir in Stratford, um meine Freunde Debbie und Dan zu besuchen. Debbie ist eine schöne Frau, aber seit der Geburt ihres zweiten Kindes vor einem Jahr trägt sie ein paar Pfunde mehr mit sich herum. Außerdem leidet sie noch an einer leichten postnatalen Depression und geht mit Dan zu einem Therapeuten, der ihnen über diese schwierige Phase hinweghelfen soll. Darauf habe ich James im Vorfeld hingewiesen, um zu vermeiden, dass er unabsichtlich ins Fettnäpfchen tritt.
Demzufolge ist er ungewöhnlich still, als hätte er eine Heidenangst, etwas Falsches zu sagen. Allerdings beobachtet er, wie Debbie sich ein drittes Stück Biskuitrolle nimmt und mit der Fingerspitze einen Klecks Geleefüllung von der Kuchenplatte stippt und ablutscht. Als wir wieder im Wagen sitzen, erzähle ich James, dass mir die Ehe der beiden Sorgen macht.
»Debbie sollte besser auf sich achten«, entgegnet er.
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie leicht depressiv ist.«
»Was glaubst du, wie depressiv sie erst sein wird, wenn Dan sie wegen einer schlankeren Frau verlässt.«
»James, bitte, sprich nicht so über meine Freundin.«
»Nimmst du das etwa persönlich?«
»Ja, denn ab und zu sind Menschen verletzlich. Und dann brauchen sie Liebe und Unterstützung und keine Kritik. Debbie hat zugenommen, weil sie Kinder bekommen hat. Ihre und Dans Kinder.«
»Und dafür soll er ihr ewig dankbar sein? Egal, wie fett sie geworden ist? Eine Frau sollte sich für ihren Mann Mühe geben. Debbie könnte ins Fitnessstudio gehen, High Heels und Strapse tragen, das bekäme ihrer Ehe besser als so eine alberne Therapie.«
»Manchmal bist du wirklich ein Arschloch.« Ich pieke ihm in den Bauch. »Frauen müssen einem Mann zuliebe doch nicht wie Prostituierte herumlaufen. Gott, du bist echt in den Achtzigern hängen geblieben, oder?«
James lacht. Ich lache auch, aber es kommt nicht von Herzen.
James hat die neue Küche gekauft. In der nächsten Woche wird LSW die alte Küche herausreißen und anfangen, die neue zu installieren. Wenn alles nach Plan geht, sind sie in acht Wochen fertig. In der ersten Januarwoche werde ich bei James einziehen, aber ich bin jetzt schon furchtbar aufgeregt. Und wenn mir an meinem Vorhaben doch Zweifel kommen, werden sie sofort unter den Teppich gekehrt.
Aber dann tauchen sie wieder auf und mir bleibt nichts anderes, als sie mir einzeln vorzunehmen.
Auf dem Minuskonto steht:
Vor vier Monaten hat er gesagt, ich sei eigentlich nicht sein Typ. Hat sich daran etwas geändert? Wird sich daran etwas ändern?
Was ist mit meinen Beinen? Sie werden nie Célines Beinen gleichen.
Warum ist er mit fünfundvierzig noch ledig? Das ist doch nicht normal.
Auf dem Pluskonto steht:
Wir sind verliebt.
Er hat mich gebeten, bei ihm einzuziehen.
Er ist er selbst, wenn er mit mir zusammen ist.
Wir lachen zusammen. Wir reden miteinander. Das sind die Dinge, die für eine dauerhafte Beziehung entscheidend sind.
Und dann noch die Art, wie er mich ansieht, wenn er glaubt, ich würde es nicht merken. Die ist echt, ganz und gar echt.
Die Strumpfhose L’Estime soll Mitte November auf den Markt kommen. Im Oktober muss James mehrere Male verreisen. An einem Freitagmorgen, da ist James für eine Woche zum Fotoshooting für die Werbekampagne in Kapstadt, ruft Evie mich an und sagt, meine Großmutter sei gestorben.
In den letzten Tagen war ich jeden Abend
Weitere Kostenlose Bücher