Süßer Zauber der Sinnlichkeit
überhaupt jemals interessiert hat! Sie sollen nur aufhören, brave Männer aus beiden Parteien bis aufs Messer aufeinander zu hetzen! Dann hätten sie nämlich einige übrig, welche mit Bösewichtern wie Eudo St. Maur kurzen Prozess machen könnten!"
So! Nun war es heraus! Der Abt würde sie wahrscheinlich für eine Verräterin an König Stephen halten und die Untaten, welche Eudo St. Maur gegen Harwood und Wakeland beging, als die gerechte Strafe einstufen!
"Wohl gesprochen, mein Kind!"
Sie musste sich wohl verhört haben. "Wie bitte, Pater?"
"Wohl gesprochen!" wiederholte der Abt. "Hätte ich etwas zu sagen, so würde ich ihre Gnaden und den König mit dir in eine kleine Kammer sperren. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden wären wohl rasch gelöst, glaube ich!"
Bei den Worten wurde ihr zwar warm ums Herz, doch Lobreden nutzten ihr nichts. Sie brauchte vielmehr Armand! "Ich fürchte, da tut Ihr mir zu viel der Ehre an, ehrwürdiger Vater!"
Der Abt schmunzelte. "Ich habe den Eindruck, du gehst zu hart mit dir ins Gericht, Dominie De Montford! Nun, wie ich gerade im Begriffe war zu sagen, bevor du mich unterbrachest: Beide Seiten in dem Konflikt beweisen doch überdeutlich, dass viel erreicht werden kann, wenn ein fähiger Mann und eine fähige Frau zusammenarbeiten!"
Ein Mann und eine Frau! Meinte er etwa …?
"Bruder …" Der Abt wandte sich an Armand. "Ich möchte dich bitten, mit dieser Jungfer zu gehen und alles in deiner Macht Stehende zu unternehmen, um ihr gegen den abscheulichen Feind der Kirche beizustehen. Solltest du den Wunsch verspüren, nach Breckland zurückzukehren, sobald deine Arbeit zu deiner und ihrer Zufriedenheit getan ist, so wird dir unsere Pforte offen stehen. Solltest du aber bezüglich deiner Berufung einem Sinneswandel unterliegen, so werden wir dafür Verständnis haben."
Gleich einer gewaltigen warmen Woge flutete die Erleichterung über Dominie hinweg. Abermals sank sie auf die Knie nieder, teils aus Dankbarkeit gegenüber dem Abt und teils auch deswegen, weil die Beine unter ihr nachgaben.
"Aber ehrwürdiger Vater!" rief Armand dazwischen. "Ihr sagtet doch …"
"… fürchte dich nicht, alles wird gut! Ich bete dafür, dass dies auch so eintrifft." Der Abt erhob sich und trat auf Armand zu. "Bedenke aber auch du, was du gelobt hast, mein Sohn! Dass du dein Handeln meinem Ratschluss anheim stellst!"
Hatte er das tatsächlich gesagt? Ob sie es wollte oder nicht: Dominie empfand leises Mitleid mit Armand. Es schien fast so, als habe der listige Abt ihn in einer Schlinge gefangen, die Armand sich selbst durch seine eigenen hehren Ideale gewunden hatte!
"Gewiss, Vater Abt, nur …" Inzwischen klang Armand so verzweifelt, wie Dominie sich noch kurz zuvor gefühlt hatte.
"Auch wenn der von mir vorgeschlagene Weg dem zuwiderläuft, was du für dich ausersehen hast", unterbrach der Abt ihn.
"Dann mehr denn je, Vater", seufzte Armand resigniert.
"Vortrefflich!" Der Abt hatte es sichtlich gern, wenn er sich durchsetzte. "Ein Kloster ist mehr als nur eine Zuflucht vor der Versuchung oder vor den Rätseln der Welt, mein Sohn! Sonst würden die uns anvertrauten Seelen schwach und leichte Beute des Bösen werden!"
Von seinem Platz an der Tür hatte der Prior das Wortgefecht stumm verfolgt. Nun nickte er wie zur Bestätigung der Worte des Abtes.
"Obwohl wir von unseren Brüdern Gehorsam verlangen", fuhr der Abt fort, "nehmen wir ihnen nicht ihr gottgegebenes Wahlrecht zwischen Gut und Böse!"
"Ja, Vater." Wenn der Abt ihn zum Tode verurteilt hätte, hätte Armand kaum niedergeschlagener klingen können. Dominie wurde ungehalten. Wäre es denn tatsächlich so schlimm, wieder in sein altes Lebens als Kriegsmann zurückzukehren, zu dem er ja eigentlich ausgebildet worden war? Um die Ländereien zurückzugewinnen, die den Flambards seit der normannischen Eroberung des Jahres 1066 gehörten? Und eine Frau zur Gemahlin zu nehmen, welcher er einst seine Liebe gestanden hatte?
Bei seinem Anblick fragte sie sich, ob er sich wohl jemals wirklich etwas aus ihr gemacht hatte. Obwohl sie sich einredete, dass es inzwischen sowieso einerlei war, verlieh dieser Zweifel ihrem Triumph einen leicht bitteren Beigeschmack.
3. Kapitel
Und all die Jahre hatte er sich eingebildet, er sei nach wie vor in Dominie De Montford verliebt! Man stelle sich das vor! Und dass er sich an das absurde Ideal einer süßen, züchtigen Maid geklammert hatte, war der Gipfel der Dummheit gewesen!
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