Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Montfords, um für die vor ihnen liegenden, ereignisreichen Monate zu planen.
Obwohl er nach wie vor den Habit der Benediktiner trug, schlüpfte Armand doch rasch in seine frühere Führungsrolle zurück. Mit jedem von ihm gemachten Vorschlag und jeder getroffenen Entscheidung straffte sich seine gesamte Haltung. Seine Stimme wurde energischer und sein Auftreten selbstbewusster. Obwohl sie das Gefühl unterdrückte, verspürte Dominie dennoch, wie etwas von ihrer jungmädchenhaften Bewunderung für ihn erneut aufflammte.
Am Vortag hatte Armand eine Art Kriegsrat einberufen, bestehend aus Pächtern und Amtsinhabern, darunter Marschall, Verwalter sowie Steuereintreiber. Indem er eine große, auf Pergament gezeichnete Landkarte von Ostanglien ausrollte, hatte er mit einem Stück Holzkohle St. Maurs Schlupfwinkel in den Fenns markiert, dazu die Tatorte von Überfällen durch gesetzlose Banden und jene Landsitze der De Montfords, die einem möglichen Angriff am wehrlosesten ausgesetzt waren.
Während sie die Beteiligten beobachtete, hatte Dominie Anzeichen wachsender Zuversicht und Entschlossenheit auf ihren Gesichtern erkennen können. Vielleicht erwies sich ihr wenig damenhaftes Vorgehen bei der Auffindung von Armand und der Gewinnung seiner Hilfe am Ende doch als der richtige Weg!
Nunmehr waren sie hoch zu Ross unterwegs nach Harwood, begleitet von einem kleinen Gefolge, zu dem auch Gavin zählte, welcher darauf bestand, den Reiterzug anzuführen. Dominies Blick suchte Armands Augen. Mit gesenkter Stimme, damit ihr Bruder sie nicht hören konnte, fragte sie: "Bist du sicher, dass es klug war, Gavin mitzunehmen?"
Ihre Mutter hatte dem Ansinnen nichts abgewinnen können und nur deshalb nachgegeben, weil Armand sich besonders für den Jungen einsetzte. Natürlich hatte er sich dadurch für den Rest des Lebens Gavins Hochachtung gesichert.
"Der Bursche wird langsam erwachsen." Armands Blick streifte zu Gavin hinüber, während er nachsichtig und wohlwollend schmunzelte. "Ehe du dich versiehst, wird er den Grundbesitz der De Montfords in den Händen halten. Bis dahin muss er noch einiges lernen."
"Wenn er beim Lernprozess nur nicht in die Bredouille gerät!" murrte Dominie. "Ich kenne keinen mit einem solch ausgeprägten Hang zu verhängnisvollen Streichen! Kaum hat er sich irgendein neues und waghalsiges Unternehmen in den Kopf gesetzt, schon führt er es aus – ohne auch nur einen Augenblick die Risiken abzuwägen!"
Armand lachte. "Dann schau mal selbst in den Spiegel! Viele Menschen hier würden deine jüngste Wanderung nach Breckland als tollkühn bezeichnen, wenn sie die wahren Hintergründe wüssten!"
"Das war doch etwas ganz anderes! Ich war mir der Gefahren wohl bewusst und bin ihnen deshalb so gut es ging ausgewichen!" entgegnete Dominie aufgebracht.
"Das wird dein Bruder auch lernen müssen!" Die Augen gegen die Sonne abgeschirmt, spähte Armand ungeduldig in die Ferne, um den ersten Blick auf Harwood zu erhaschen. "Vielleicht warst du noch zu klein, um dich an die Schwierigkeiten zu erinnern, in welche Denys und ich gerieten, als wir in Gavins Alter waren. Meiner Ansicht nach liegt die Verwegenheit den De Montfords im Blute. Gepaart mit ein wenig Erfahrung und Besonnenheit ist das beileibe kein übler Charakterzug für einen Edelmann."
"Vorausgesetzt, er lebt lange genug, um diese Eigenschaft zu schulen!" Dominie beobachtete, wie Gavin immer weiter vorneweg ritt und den Rest der Gesellschaft hinter sich ließ.
"Ich gebe schon Acht, dass deinem Bruder nichts passiert", versicherte Armand in einem Ton, als nehme er an, dass Dominie ihm nicht recht traute. "Glaube mir, wenn der kleine Kerl von seiner Mutter und Schwester zu sehr verhätschelt wird, dann wird er sich irgendwann in schlimme Gefahren begeben, nur um zu beweisen, dass er ein Mann ist!"
Armands Ratschlag klang zwar durchaus vernünftig, aber er ging ihr gewaltig gegen den Strich. "Ich habe dich nicht den weiten Weg von Breckland hergeholt, damit du mir einen Vortrag über die Erziehung meines Bruders hältst!"
"Möglicherweise nicht. Aber da du's schon mal getan hast, sehe ich es als meine Pflicht an, dir für deine Mühen von größtmöglichem Nutzen zu sein." Armand warf ihr einen schelmischen Blick zu, in welchem selbst ein wenig Tollkühnheit lag.
Tollkühnheit, die geradewegs ins Verhängnis führen konnte, falls sie es an der notwendigen Vorsicht mangeln ließ. Sie durfte auf keinen Fall vergessen, dass Armand fort sein würde,
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