Suesses Gift Der Liebe
ihrer Augen war faszinierend.
Sie trug eine lange, mit vielen Taschen bestückte Schürze über einem schlichten grauen Kleid. In einer Hand hielt sie eine Gartenschere, deren lange, scharfe Klingen wie die bizarre mittelalterliche Waffe eines gepanzerten Ritters wirkte. Zusätzlich war sie mit einer Anzahl anderer ähnlich gefährlich aussehender Gerätschaften behängt.
»Danke, Mrs Shute«, sagte Lucinda. »Wir nehmen den Tee in der Bibliothek.«
Ihre Stimme war gar nicht feenähnlich, stellte Caleb erfreut fest. Im Gegensatz zu den irritierend hohen Tönen von Elfenglöckchen, die sich so viele Frauen zulegten, war ihr Ton warm, selbstbewusst und entschlossen. Energie ging als unsichtbare Aura von ihr aus. Eine Frau mit Kraft, dachte er bei sich.
Er war anderen Frauen mit starken Begabungen begegnet, wie sie auf den höheren Ebenen der Arcane Society nicht selten anzutreffen waren. Aber etwas in ihm reagierte auf Lucindas Energie auf neue und merkwürdig beunruhigende
Weise. Er musste sich beherrschen, um nicht näher zu ihr zu treten.
»Ich bringe den Tee, Ma’am«, sagte Mrs Shute. Sie drehte sich um und ging hinaus.
Lucinda schenkte Caleb ein kühles, höfliches Lächeln, das ihn ihre Wachsamkeit spüren ließ. Ihm war klar, dass sie nicht sicher war, das Richtige getan zu haben, indem sie nach ihm schickte. Bei vielen Klienten regten sich Bedenken, nachdem sie mit ihm eine Verabredung getroffen hatten.
»Danke, dass Sie heute gekommen sind«, sagte sie. »Sie müssen sehr beschäftigt sein, Mr Jones.«
»Keine Ursache«, sagte er und schob insgeheim die lange Liste von Projekten und Verpflichtungen von sich, die andernfalls seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätten. »Ich bin froh, Ihnen helfen zu können.« Es war das erste Mal, dass er dies zu einer Kundin sagte. Er argwöhnte, dass es auch das letzte Mal wäre.
»Gehen wir in die Bibliothek?«
»Wie Sie wünschen.«
Sie band ihre fleckige Kittelschürze auf und zog sie über den Kopf. Die unhandliche Kollektion von Werkzeugen und Geräten in ihren Taschen klirrte. Er sah zu, als sie die dicken Gartenhandschuhe auszog. Sie trug tatsächlich einen Ring, wie die Presse berichtet hatte. Er war aus schwerem, fein verarbeitetem Gold und wurde von einem dunkelblauen Lapislazuli und einer bernsteinfarbenen Gemme geziert. Der Ring sah alt aus und war im Renaissance-Stil gehalten. Tatsächlich hätte ein Geheimfach darin Platz, dachte er neugierig.
Sie blieb vor ihm stehen und blickte ihn fragend an.
Nun erst merkte er, dass er direkt vor ihr stand und sie anstarrte. Er riss sich mit Aufbietung großer Willenskraft zusammen und gab ihr den Weg in die Bibliothek frei. Als sie an ihm vorüberging, spannte er mit Absicht seine Sinne an und genoss das leise Rascheln von Energie, das die Atmosphäre bewegte. Ja, eindeutig eine Kraft-Frau.
Lucinda ließ sich hinter einem unaufgeräumten Mahagonischreibtisch nieder und deutete auf den Sessel gegenüber.
»Bitte, setzen Sie sich, Mr Jones.«
Sie definierte die Beziehung ganz deutlich, wie er amüsiert bemerkte. Sie ließ klar erkennen, dass sie diejenige war, die die Lage beherrschte, und dass sie beabsichtigte, die Oberhand in ihrer Beziehung zu behalten. Er fand diese subtile, unausgesprochene Herausforderung so belebend wie ihre Aura.
Er ließ sich auf dem angebotenen Sessel nieder. »In Ihrer Nachricht schrieben Sie, dass es sich um eine dringende Sache handle.«
»So ist es.« Sie faltete die Hände auf dem Löschpapier und fixierte ihn mit einem stetigen Blick. »Haben Sie zufällig vom Tod Lord Fairburns erfahren?«
»Ich sah einen Artikel in der Morgenzeitung. Selbstmord, glaube ich.«
»Möglich. Das wird sich erst zeigen. Die Familie, oder zumindest ein Angehöriger, nämlich der Sohn Fairburns, hat Scotland Yard eingeschaltet.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Aus auf der Hand liegenden Gründen möchte die Familie, dass die Ermittlungen geheim durchgeführt werden.«
»Und woher wissen Sie davon?«
»Der mit den Ermittlungen betraute Detektiv bat mich um meine Meinung. Ich habe Mr Spellar schon in vielen Fällen beraten.«
»Spellar kenne ich. Er ist Mitglied der Arcane Society.«
»Allerdings.« Sie schenkte ihm ein trotziges Lächeln. »So wie ich, Mr Jones.«
»Das ist mir klar. Außerhalb der Society weiß niemand auch nur von der Existenz der Agentur Jones, geschweige denn, wie man mich kontaktiert.«
Sie errötete. »Ja, natürlich. Verzeihen Sie. Leider neige ich
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