Suesses Gift Der Liebe
Ratgebertätigkeit es erfordert, die Leichen der Opfer zu begutachten. Sie werden zugeben, dass dies im Allgemeinen eine etwas ungewöhnliche Tätigkeit für eine Dame ist.«
»Ach?« Sie löste ihre Hände und lehnte sich zurück. »Und wer ist Ihrer Meinung nach in den meisten Familien für die Pflege Schwerkranker zuständig? Die meisten Menschen gehen zum Sterben nicht ins Krankenhaus. Die meisten sterben zu Hause, und es sind Frauen, die am Sterbebett sitzen, wenn das Ende naht.«
»Wir sprechen von Mordopfern, nicht von natürlichen Todesfällen.«
»Glauben Sie denn, die eine Todesart wäre grausamer als die andere? Wenn das so ist, dann waren Sie noch nie Zeuge eines sogenannten natürlichen Todesfalles. Ich versichere Ihnen, dass dieser weitaus schrecklicher, qualvoller und langwieriger sein kann, als ein plötzlicher Tod nach einer Vergiftung oder einer Kugel in den Kopf.«
»Zum Teufel. Ich fasse es nicht, dass ich dieses lächerliche Gespräch führe. Ich bin nicht da, um über Ihre Beratertätigkeit zu diskutieren, Miss Bromley. Ich bin da, weil Sie mich
kommen ließen. Ich schlage vor, wir fahren mit Ihrem Anliegen fort.«
Ihr Blick war stahlhart. »Sie waren es, der den Streit anfing.«
»Den Teufel tat ich.«
Sie blinzelte und streckte ihr Kinn vor. »Bedienen Sie sich in Damengesellschaft immer dieser Sprache? Oder glauben Sie, Sie könnten wegen der speziellen Dame, mit der Sie im Moment sprechen, diese Ausdrücke benutzen?«
Sein Lächeln verriet Ingrimm. »Entschuldigung, Miss Bromley. Ehrlich gesagt wundert es mich, dass eine Dame, die Mordschauplätze besichtigt, von rauerer Sprache schockiert ist.«
Sie erwiderte sein Lächeln ihrerseits mit einem besonders eisigen. »Soll das heißen, dass ich keine richtige Dame bin?«
Er richtete sich jäh auf, drehte sich um und trat ans Fenster. »Das ist die absurdeste Unterhaltung, die ich seit Ewigkeiten führte. Auch die sinnloseste. Wenn Sie so gut wären, mir endlich zu sagen, warum Sie mich heute zu sich baten, könnten wir endlich mit diesem Gespräch weitermachen.«
Ein lautes Pochen an der Tür unterbrach ihn. Er drehte sich um und sah die Haushälterin mit einem Tablett und dem Teeservice eintreten. Mrs Shute gab ihm mit einem missbilligenden Blick stumm, aber unmissverständlich zu verstehen, dass sie die hitzige Debatte mitangehört hatte.
»Danke, Mrs Shute«, sagte Lucinda freundlich, als stünde sie mit ihrem Besucher im freundlichsten Einvernehmen. »Stellen Sie das Tablett hier ab. Ich werde eingießen.«
»Ja, Ma’am.«
Mit einem weiteren missbilligenden Blick, der Caleb galt, ging die Haushälterin hinaus und schloss leise die Tür.
Seine Sprache war wirklich schrecklich gewesen. Und es stimmte, dass seine Manieren immer schon zu wünschen übrig gelassen hatten. Für Artigkeiten hatte er wenig Geduld, doch war er im Allgemeinen nicht so ungezogen, dass er in Gegenwart weiblicher Wesen, egal welcher Position oder Herkunft, geflucht hätte.
Lucinda stand auf und ging zum Sofa. Sie setzte sich und griff zur Teekanne.
»Milch und Zucker, Sir?«, fragte sie anmutig und gefasst, als hätte es keinen Streit gegeben, doch ihre Wangen waren ein wenig gerötet und in ihren Augen lag ein kampflustiges Blitzen.
Wenn alles versagt, hilft eine Tasse Tee, dachte er.
»Keines von beiden, danke«, sagte er noch immer ein wenig schroff.
Er versuchte, die neue, helle Intensität, die von Lucinda ausging, zu analysieren. Es war nicht so, dass sie glühte, doch sie wirkte wie mit neuer Energie aufgeladen.
»Sie können sich ebenso gut wieder setzen«, sagte sie »Es gibt noch viel zu besprechen.«
»Mich wundert, dass Sie trotz meiner Sprache meine Dienste in Anspruch nehmen wollen.«
»Ich kann es mir nicht leisten, Ihnen die Tür zu weisen, Sir«, sagte sie und schenkte ihm mit anmutiger Hand Tee ein. »Ihre Dienste sind einzigartig, und ich brauche sie dringend.« Sie setzte die Teekanne ab. »Wie es aussieht, muss ich mich mit Ihnen abfinden.«
Er spürte, wie sein Mundwinkel trotz seiner schlechten Laune amüsiert zuckte. Er nahm Tasse und Untertasse in Empfang und setzte sich in den Armsessel.
»Und ich mich mit Ihnen, Miss Bromley«, entgegnete er.
»Wohl kaum, Sir. Ihnen steht es frei, mein Ersuchen um Ihre Ermittlertätigkeit abzulehnen. Wir beide wissen, dass Sie das enorme Honorar, das Sie mit Sicherheit von mir fordern werden, gar nicht benötigen.«
»Auf das Geld könnte ich verzichten«, gab er ihr recht. »Aber
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