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Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Titel: Summer Westin: Todesruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela S. Beason
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beide in Verlegenheit, indem sie fragte, ob er schon über 65 sei, dabei war er gerade mal 61. Als er ihr erklärte, er sei auf dem Weg zu der Gedenkfeier, winkte sie ihn schließlich durch, ohne dass er zahlen musste.
    Der Gottesdienst hatte schon angefangen, und die rosafarbene Rose, die er im Supermarkt in Forks gekauft hatte, begann in seiner Hand bereits zu verwelken, als er zwischen den Stuhlreihen entlanghumpelte. Sie hatten die Klappstühle vor dem Besucherzentrum aufgestellt und eine riesige Plane darübergespannt, damit niemand nass wurde. Vorne standen ein Tisch und ein Podium, hinter dem Podium stand ein Kaplan. Genau wie Jack vorhergesagt hatte, waren fast ausschließlich graugrüne Uniformen zu sehen, und nur wenige Leute in Zivil hatten sich daruntergemischt. Mittendrin erspähte er einen silberblonden Zopf, der vielleicht der kleinen Rangerin gehörte, die vor zwei Tagen auf der Suche nach Jack gewesen war.
    Er setzte sich auf den ersten freien Stuhl, den er fand, neben ein Mädchen im Teenageralter mit abgesäbelten roten Haaren. Neben ihr saßen mehrere kräftig aussehende Jungen. Ihre Gesichter und Hände waren sauber, aber ihre Hosen waren bis zu den Knien nass und dreckverkrustet – ganz offensichtlich hatten sie im Freien gearbeitet. Das Mädchen neben ihm roch nach Schweiß, und Ernest war dankbar, dass er in einer Open-Air-Kapelle saß. Das tote Mädchen hatte zum Wegetrupp gehört, fiel ihm wieder ein. Das hier mussten ihre Kollegen sein.
    Vorne am Podium hing ein Foto von Lisa Glass, darunter stand ein Strauß Lilien. Von seinem Platz aus konnte er nur erkennen, dass sie helles Haar gehabt hatte.
    Der Kaplan sprach davon, dass Lisa den Wald und das Leben im Freien geliebt hatte. Seine Rede erinnerte Ernest an die Gedenkgottesdienste in Vietnam, wo der arme Tölpel mit dem Kreuz um den Hals, der genauso verwirrt war wie sie alle, sich immer etwas Nettes hatte aus den Fingern saugen müssen. Er hatte dann davon geredet, wie der Mann, den eine Maschinengewehrsalve regelrecht zerfetzt hatte, seinen Hund liebte oder in der Highschool ein guter Footballtrainer gewesen war.
    »… und so beschloss Lisa, beim Wegetrupp zu arbeiten, um der Natur näher sein zu können«, sagte der Kaplan gerade.
    »Was für ein Schwachsinn«, murmelte das rothaarige Mädchen neben ihm.
    Er warf ihr einen Blick von der Seite zu.
    »Die hat das nur wegen des Geldes gemacht«, erklärte sie und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von der sommersprossigen Wange. »Es war der einzige Job, den sie kriegen konnte. Ihre Familie war arm.«
    »Pscht.« Ein Mann in der Reihe vor ihnen drehte sich um und starrte die Rothaarige vorwurfsvoll an. Als Antwort streckte sie ihm die Zunge heraus. In dem Ohr, das Ernest sehen konnte, trug sie vier Ringe. Er fragte sich, ob das andere Ohr wohl auch vier Löcher hatte.
    »Klingt, als wäre Lisa ein nettes Mädchen gewesen«, flüsterte er.
    »Nicht sonderlich.« Sie hob die muskulösen Schultern und ließ sie wieder fallen. »Aber das hatte sie nicht verdient.«
    Ernest wusste nicht, was er noch hätte sagen sollen. Es ging das Gerücht, die junge Frau sei ermordet worden, aber manche behaupteten auch, sie sei betrunken gewesen und habe den Wald aus Versehen in Brand gesteckt. Vermutlich lag die Wahrheit irgendwo in der Mitte, aber die Rothaarige hatte recht: Es spielte eigentlich keine Rolle. Niemand hatte es verdient zu sterben. Nicht mit 19.
    Wie alt mochte die arme ermordete Jagdhüterin wohl gewesen sein? Ob man für sie auch einen Gedenkgottesdienst abgehalten hatte? Die Jagdhüter gehörten nicht zum Park Service, sondern zu … ihm fiel nicht mehr ein, um welche Behörde es sich handelte. Er hoffte, sie hatte Freunde und Familie, die sie in liebevoller Erinnerung behielten. Meine Güte, was für eine schreckliche Welt, in der junge Frauen allein im Wald starben.
    Schließlich war der Gottesdienst zu Ende. Einige Leute standen auf und gingen, andere traten zu dem Foto der jungen Frau und legten etwas darunter ab. Ernest folgte dem rothaarigen Mädchen nach vorne, wobei er seine Blume mit beiden Händen umfasste, damit sie nicht gar so schlaff aussah. Die Rothaarige legte einen großen Tannenzapfen auf den Stapel unter dem Foto. Ernest schob seine verwelkende Rose daneben. In dem Stapel befanden sich auch ein paar winzige Stofftiere aus der Beanie-Baby-Serie. Die hatte Allie, als sie zehn gewesen war, auch gesammelt.
    Ernest warf einen Blick auf das Foto, weil er sich

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