Summer Westin: Todesruf (German Edition)
Regierung.«
»Aber Joe ist Ranger. Und Koreaner.« Jetzt klang sie selbst wie eine Rassistin. »Amerikaner mit koreanischen Wurzeln, meine ich. Eigentlich wollte ich damit sagen, dass Lilis Vater ein Staatsangestellter und sie zu einem Achtel koreanisch ist – wie kann sie dann in einer Gruppe sein, die die Herrenrassentheorie vertritt?«
»Die passen sich an, Summer, genau wie alle anderen Gruppen auch. Vielleicht nehmen sie jetzt auch nicht ganz weiße Menschen mit Angehörigen bei der Polizei auf. Vielleicht glauben sie, diese Unreinheiten noch wegzüchten zu können.«
Sam stöhnte. »Hass ist etwas, das nie ausstirbt, nicht wahr?«
Arnie, der gerade aus seinem Büro kam, schnappte auf, was sie sagte, und schlenderte neugierig auf ihren Schreibtisch zu. Rasch drückte sie auf die Taste, mit der man den Bildschirmschoner aktivierte.
»Da hast du recht«, pflichtete Chase ihr bei. »Ich werde mich mal kundig machen, was es in eurer Gegend so an Hasszellen gibt. Aber rede mit niemandem darüber, Summer. Wir wollen den Fuchs erst aus dem Bau jagen, wenn wir schussbereit sind. Oder zumindest bereit, ihn einzufangen.«
Sam spürte, dass Arnie direkt hinter ihr stand. »Ihre Organisation würde das also übernehmen?«
»Ist jemand bei dir im Zimmer?«
»Ja«, erwiderte sie. »Genau.« Sie hörte, wie Arnie seine Regenjacke vom Haken nahm.
»Hassgruppen fallen in den Zuständigkeitsbereich des FBI. Ich setze jemanden darauf an.«
Arnie verließ das Zimmer, und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
»Jetzt ist er weg«, sagte Sam. »Aber ich kann mir immer noch nicht erklären, wie Lisa Glass und Lili Choi beide auf so ein blödsinniges Gefasel reinfallen konnten. Beide haben … hatten … die gleiche Tätowierung. Lisa stammte irgendwo aus dem Osten. Ich bin sicher, dass Lili sie nicht kannte.«
»Diese Gruppen operieren oft landesweit. Vielleicht war Lisa Glass hier, um sich mit jemandem zu treffen.«
»Vielleicht.« Ab jetzt würde Sam jeden verdächtigen. Meine Güte. Wilderer im Wald, Mörder am Seeufer und überall weiße Herrenrassenideologen?
Auf dem Foto hatte Caitlin Knight langes schwarzes Haar gehabt. »War die ermordete Jagdaufseherin vielleicht amerikanische Ureinwohnerin?«, fragte sie.
»Gute Frage. Ich werde das mal überprüfen. Ethnische Zugehörigkeit könnte durchaus ein Motiv sein.«
Am liebsten hätte sie Joe angerufen und wäre mit ihm zu den Reservaten gefahren, um die Mitglieder des Quileute-, Hoh- und Quinaultstammes zu warnen. Ach herrje, weiter im Norden gab es ja auch noch die Ozettes und die Makahs.
»Vergiss nicht, Summer: Jag den Fuchs nicht aus dem Bau. Rede mit niemandem.«
»Wieso kannst du immer meine Gedanken lesen?« Das war wirklich erschreckend.
»Wir sind verwandte Seelen.« Sie hörte Stimmen im Hintergrund, dann sagte Chase: »Ich muss aufhören. Schläfst du in der Unterkunft?«
»Zusammen mit den dort versammelten Straftätern.« Sie genoss es, dass er über ihre Witze selbst dann lachte, wenn sie nicht sonderlich lustig waren. »Wohin bist du unterwegs?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich rufe dich später wieder an. Pass auf dich auf.«
Die Verbindung brach ab, bevor sie »Du auf dich auch« sagen konnte.
Den Rest des Tages versuchte sie, sich auf ihren Managementplan zu konzentrieren und die neuesten NPS-Vorschriften zu begreifen, dabei wäre sie am liebsten mit Hammer und Meißel zum Marmot Lake gefahren und hätte diese schrecklichen Nummern aus den Bäumen geschlagen.
Entsetzt stellte Jack fest, dass es schon wieder Craig war, der da vor seiner Haustür stand. Regen floss aus seinem zersausten Haar, und er sah wirklich bemitleidenswert aus. Jetzt, wo Allie fort war und ihr Vater beschlossen hatte, trocken zu werden, tauchte er andauernd irgendwo auf.
»Von den Rangern war gestern einer hier und hat nach dir gesucht«, sagte Ernest.
»Ranger Choi? Was wollte der denn schon wieder?« Eigentlich konnten sie weder über die Paintballspiele noch über das C4 etwas herausgefunden haben. Verdammt, falls King nicht die Klappe gehalten hatte …
»Kein Er«, erwiderte Ernest. »Diese kleine Blonde, du weißt schon, die, die neulich im Fernsehen war.«
»Westin?« Jacks Nacken fing an zu kribbeln. Wieso sollte Westin hierherkommen? Es war, als würde sie ihn verfolgen.
»Wie sie heißt, weiß ich nicht«, antwortete Ernest. »Sie hat mir erzählt, dass morgen ein Gedenkgottesdienst für das Mädchen vom Wegetrupp stattfindet, oben am Hurricane
Weitere Kostenlose Bücher