Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
versuchen.« Er fuhr mit der Hand über sein Gesicht, der kummervolle Ausdruck wich einem charmanten Lächeln. »Guten Morgen, Miss Westin. Könnten Sie mich bitte heute Morgen zu den Ruinen bringen? Und eventuell danach zum Curtain? Aber nur, wenn es Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet.«
Zumindest hatte er eine scharfe Wahrnehmung. Und konnte sich anpassen.
»Sie haben Glück«, sagte sie. »Zufällig liegt das auf meinem Weg. Doch zuerst muss ich nach meinen Mails schauen.« Der Kaffee war für Sams Geschmack etwas zu schwach, aber immer noch besser als Tanners Teer.
Perez hielt ihr einen Apfel und eine Banane hin. »Etwas Obst?«
Sie nahm die Banane und schälte sie schweigend. Es war zwar nett, gleich nach dem Aufstehen einen Becher Kaffee zu bekommen, aber so viel Kommunikation war entschieden zu viel zu dieser frühen Stunde.
Hu-hu huuh. Hu-hu! Als der Ruf verklungen war, hob Perez fragend eine Augenbraue.
»Virginia-Uhu«, erklärte Sam.
Sie rieb mit den Händen über die Oberarme. Die Luft war kühl, der Winter war im Anmarsch. Zack wurde seit mehr als sechzig Stunden vermisst. Wenn er schutzlos den Elementen preisgegeben war, besaß er nur geringe Chancen, so lange zu überleben. Insofern erschien es besser, jemand hatte ihn in der Gewalt. Jemand, der einen kleinen Jungen so wie ein eigenes Kind liebte. Wie in Zeitlupe sah sie wieder das Bild des Mannes am Ende des Pfads vor sich: Er wandte sich ihr zu, hob die Hand zum Gruß. Hätte sie doch nur sein Gesicht erkennen können!
Die rosafarbene Morgenröte enthüllte einen bedeckten Himmel, es wehte ein kühler Wind. Wolken trieben über das Plateau, sammelten sich vor dem Bergmassiv im Westen. Sam hoffte, dass der Sturm wie vorhergesagt noch eine Weile auf sich warten ließ. Morgen Nacht oder am frühen Sonntagmorgen, hatte Kent gesagt. Das Land brauchte verzweifelt Regen, aber falls Zack kaum noch lebendig unter einem Busch kauerte, würde ein kalter Guss seine Überlebenschancen sicher vollends vernichten. Wenigstens würde ein richtiger Wolkenbruch den geplanten Anmarsch der staatlichen Killergarde vielleicht etwas aufhalten.
Perez’ Handy meldete sich. »Irgendwelche Fortschritte?«, fragte er.
Sam schaltete Laptop und Satellitentelefon ein, sah in ihr Postfach und überflog die neuesten Berichte. Zwei Nachrichtenseiten brachten Reportagen über Pumas in der Nähe von Schulen und Spielplätzen. »Was hat Wildnis Westin dazu zu sagen?«, stand auf einer in einem Kästchen.
Sie rief die Website von KSEA auf. Zachary Fischer gehörte immer noch zu den Aufmachern, und die Aufzeichnung der abendlichen Sendung konnte abgerufen werden. Da war Adam wieder, der nun viel souveräner am Moderatorentisch wirkte, hinter ihm ein Bild der SWF-Homepage mit ihrem Artikel und einem Foto. Ihrem Foto, auf dem sich Perez über – einen roten Schuh beugte? Was sollte der Scheiß? »Laut den neuesten Berichten auf der Website des SWF«, sagte Adam, »wurde heute auf einem Wanderweg im Heritage National Park ein Schuh gefunden. Ist dieser Schuh alles, was von Zachary Fischer übriggeblieben ist?«
»Verdammter Mist!«
»Etwas Interessantes?« Perez hatte sein Gespräch beendet und beobachtete sie.
»Nichts Wichtiges. Haben sie unten eine Spur von Zack gefunden?«
Er schüttelte den Kopf.
Sam klickte die Website des SWF an. Darauf standen der Bericht, den sie gestern Abend geschickt hatte und das Foto von Perez. Max hatte die Farben intensiver gemacht: Die Felsen waren brauner, die Pflanzen grüner. Und offensichtlich etwas hinzugefügt: den kleinen roten Turnschuh, auf den sich nun Perez’ Blick richtete.
Mad Max hatte die Realität wieder einmal verändert. Sam klickte die Daten an. »Fotomontage« stand dort, als Fotografen waren sie und ein gewisser Doug Grafton genannt, der offensichtlich die Rechte an dem Turnschuhfoto besaß. Rechtlich legal, aber ein wenig grenzwertig.
Sie schrieb schnell etwas über die Anforderung von staatlichen Jägern trotz der fehlende Beweise eines Pumaangriffs, und welche Summen Steuerzahler für das Abschlachten der Tiere zahlen müssten. Dann bat sie Lauren per Mail, diese Information so schnell wie möglich einzufügen.
Als sie die E-Mails für Wildnis Westin abrufen wollte, ging ein Fenster auf, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass die Obergrenze von achthundert Nachrichten im Ordner erreicht war, und weitere Nachrichten in einem anderen Ordner zur Verfügung standen. Zögernd sah sie nach. Den Überschriften nach zu
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