Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
wurde aus dem tiefen Röhren ein hohes Summen, und der Hubschrauber flog über ihren Kopf hinweg. Ein schneller Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass mehr als vier Stunden vergangen waren, seit der Rettungshubschrauber am Milagro Canyon abgehoben hatte. War das genug Zeit, um die Kriminaltechniker aus Salt Lake City hierher zu bringen?
Sie stellte sich vor, wie Perez ein Team von Forensikern mit dicken Brillengläsern an jenen Ort brachte, wo sie den Schädel gefunden hatten. Oder würde Special Agent Boudreaux die Leitung der Untersuchung übernehmen? Sie hoffte, dass Apollo nicht zu seiner Beute zurückgekehrt war, denn sie traute es allen beiden zu, auf den Puma zu schießen, sobald dieser sich zeigte.
Sam blieb stehen, um sich den Schatten unter einem Busch genauer anzuschauen. Nichts als Staub. Sie richtete sich wieder auf und wanderte weiter.
»Zack!«, schrie sie zur Sicherheit. »Zachary!«
Sie wartete eine Minute, hörte aber nur das, was sie erwartet hatte: den schrillen Schrei eines Rotschwanzbussards, der über ihr kreiste. Klang nach einem, der dieses Jahr flügge geworden war. Sie waren immer laut, wenn sie das Jagen lernten. Vielleicht konnten sie sich vor Aufregung nicht zurückhalten, wenn sie zum ersten Mal über die Welt flogen, die sich unter ihnen ausbreitete.
»Zack! He, Kleiner, wo bist du nur? Antworte doch.« Wenn du es kannst , fügte sie in Gedanken hinzu. Nachdem sie den Schädel gefunden hatte und Kent und den Puma blutend im Staub hatte liegen sehen, fiel es ihr schwer, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, den Jungen noch lebend zu finden.
Der Bussard schrie wieder. Wenn sie doch nur die Sicht des Raubvogels teilen könnte. Konnte er erkennen, wie die Ermittler weitere Knochen freilegten? Wie Kojoten-Charlie durch die nahen Schluchten schlich? Konnte der Bussard vielleicht Zack sehen?
Ein dunkler Spalt in einer Felswand erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie trat näher. Doch er ragte nur etwas über einen Meter in den Fels hinein, und kein kleiner Junge hockte darin. Sie stapfte zurück auf den Pfad und stieg weiter nach oben.
Auf ihrer Wanderung vom Milagro Canyon war sie an zwei weiteren Vermisstenzetteln vorübergekommen. Langsam gingen sie ihr auf die Nerven. Wenn Zack doch bloß bei seinen Eltern geblieben wäre, dann könnte sie in Ruhe Geld verdienen, indem sie über wilde Tiere, Ökologie und die Schönheit der Natur schrieb. Kent wäre gesund und glücklich und der Puma ebenso. Es gäbe keine Zettel an den Felsen und keine Hubschrauber, die das Vogelgezwitscher übertönten. Keine Scharfschützen wären unterwegs, um Pumas zu meucheln. Es war alles die Schuld von Fred und Jenny Fischer.
Dann fiel ihr das ängstliche Gesicht der jungen Mutter ein. Und sie rief sich den Augenblick in Erinnerung, als sie sich aus der Brombeerhecke befreit hatte, und der dunkle Pfad vor ihr leer gewesen war. Wenn sie sich doch nur die Zeit genommen hätte, an jenem Abend Zack zu seinen Eltern zu bringen …
Wie sollte sie damit leben, wenn der kleine Junge tot oder in den Händen irgendeines Perversen war?
»Zack! Zachary!« Keine Antwort außer dem schwachen Echo von den Bergwänden ringsum. Selbst der Bussard war fort.
Sie sah auf die Uhr, ihr blieben noch ein paar Stunden Tageslicht. Im Osten tauchte der Temple Arch auf, ein blinder Bogen, an dem vor Jahrhunderten ein halbmondförmiger Felsen von einem Überhang gefallen war. In der schmalen Kerbe standen die Anasazi-Ruinen, zu denen Perez und sie heute Morgen unterwegs gewesen waren.
In diesem Canyon war Kojoten-Charlie verschwunden. Sie beschattete ihre Augen mit einer Hand und sah forschend auf den steilen Abhang, den er hinabgelaufen war. Es gab keinen Pfad, doch bei genauerem Hinsehen würde man vielleicht auf den vorstehenden Steinen alte Fußtritte der Anasazi finden, die im Zickzack den Hang hinunterführten.
Vielleicht hortet Kojoten-Charlie hier seine Trophäen, hatte Perez gesagt. Sie bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, er könnte in der Nähe sein und sie jetzt beobachten.
»Zack! Antworte doch!« Bitte.
Sam stand an der Stelle, wo sich Goodman Trail und Milagro Trail kreuzten. Hundert Meter unter ihr fiel der Village Wasserfall wie ein Vorhang aus feinen Haaren vom Berg. Man hörte das Rauschen kaum, es wirkte eher wie das Hintergrundgeräusch einer entfernten Autobahn. Sam leckte sich über die rissigen Lippen und dachte an klares, kühles Wasser. Aber der Weg zum Wasserfall würde mindestens dreißig Minuten der
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