Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
und lauschte einen Augenblick, ob sich draußen etwas bewegte, bevor sie auf Zehenspitzen auf den Platz trat. Als sie ins nächste Haus ging, flitzte eine Maus über den Boden an den Resten eines offenen Feuers in der Feuerstelle vorbei. Sam streckte die Hand über den verkohlten Ästen aus. Kein Hauch von Wärme. Wer auch immer das Feuer angezündet hatte, war schon lange fort. Es überraschte sie nicht, dass hier jemand gegessen oder vielleicht sogar sein Nachtlager aufgeschlagen hatte – die Ruinen waren verlockend für Wanderer, trotz des Verbotsschilds. In einer Ecke lag weniger Staub, ganz so als wäre sie bis vor Kurzem mit einem Teppich bedeckt gewesen. Oder mit einem Schlafsack. In die Wand hatte jemand etwas eingeritzt: ein krakeliges Herz, in dem BJB + KJD stand. Warum mussten manche Leute, wo sie gingen und standen, einen Abdruck von sich hinterlassen? Schlimmer als Hunde, die ihr Revier markierten.
Diesmal führte keine Leiter nach oben. Sam ging in das Haus nebenan zurück. Dabei beschlich sie ein ungutes Gefühl, ihre Haut prickelte unangenehm. War da etwa jemand? Sie blieb stehen und sah sich um, lauschte. Nichts.
Nachdem sie die Leiter im zweiten Haus an die Öffnung nach oben gestellt hatte, zögerte sie. Konnte jemand dort raufgeklettert sein und die Leiter hochgezogen haben? Oder hatte er etwa Zack dort versteckt und die Leiter mitgenommen, damit der Junge nicht weglaufen konnte? Sie rieb mit den Fingern über die Tasche, in der das Pfefferspray steckte, nur um sicherzugehen, dass es immer noch da war. Dann holte sie noch einmal tief Luft und stieg hoch.
In seinem Hotelzimmer blätterte Perez die Akte von Fred Fischer durch und versuchte mit zusammengekniffenen Augen, die kleine Schrift zu lesen. Es musste doch irgendeinen Hinweis geben, wohin der Mann verschwunden war: aufgewachsen in Orem, Mitglied einer Pfadfindertruppe, die kreuz und quer im ganzen Land gewandert und geklettert war, kalifornischer Bürger, Lastwagenfahrer.
Das Telefon klingelte. Ranger Rafael Castillo war dran. Perez war nicht weiter überrascht; weiße Polizisten erstatteten immer ihm Bericht, weil sie annahmen, dass er das Team leitete. Kein Wunder, dass Nicole die meiste Zeit so genervt war.
»Der Suzuki der Fischers steht im Park auf dem Goodman- Trail-Parkplatz. Der Wagen ist leer.«
»Wohin führt der Wanderweg?«, fragte Perez.
»Kreuzt am Village-Wasserfall den Milagro Trail. Wenn man nicht zum Milagro Canyon abbiegt, kommt man zu den Temple-Rock-Ruinen. Kurz dahinter teilt sich der Weg erneut. Kennen Sie die Zickzack-Passage?«
Perez stöhnte. »Nur zu gut.«
»Also, auf dem rechten Weg verlassen Sie das Tal in der Nähe der Zickzack-Passage. Wenn Sie sich links halten, kommen Sie durch den Sunset Canyon auf den Mesa Trail, dem Sie dann zum Nordtor des Parks folgen können.«
Perez legte auf und sah sich die Karte an. Als sie sich am Hubschrauber getrennt hatten, hatte Summer Westin gesagt, sie würde zu den Ruinen gehen. Von dort aus könnte sie den Mesa Trail nehmen oder auf dem Goodman Trail zu ihrem Lager zurückkehren. Wie standen die Chancen, dass sich ihr Weg mit dem von Fischer kreuzte? Er hoffte bloß, dass sie nicht wieder versuchte, die verdammte Brücke zu überqueren.
Warum hatte er sich nicht ihre Nummer geben lassen? Nun musste er sie erst ausfindig machen. Und selbst wenn er sie hatte, bestand nur wenig Hoffnung, Summer Westin zu erreichen, denn er hatte ja gesehen, dass sie das Telefon nach jedem Gespräch abstellte.
Er telefonierte ein wenig herum. Der Superintendent des Parks teilte ihm mit, dass alle Ein- und Ausgänge bereits überwacht wurden; sie taten ihr Bestes, um alle Besucher aus dem Park zu schleusen, bevor morgen die Pumajagd begann. Doch Thompson sagte ihm auch deutlich, dass jemand, der zu Fuß den Park durchquerte, quasi überall hinausgelangen konnte.
Ein Albtraum. Wie um alles in der Welt sollten sie so jemanden mit nur zwei Beamten vor Ort verfolgen?
Der lokale Charterbetrieb sagte ihm nicht minder deutlich, dass niemand nach Sonnenuntergang über den Park flog. Sie würden ihn in der Morgendämmerung zum Plateau fliegen. Dasselbe sagte auch die Feuerwehr.
Kurz überlegte er, ob er im Dunkeln hochsteigen sollte. Nein. Das war lächerlich. Der Weg war steil und steinig und fiel an den Seiten unbefestigt ins Leere. Er würde nicht wissen, wohin er trat, und wahrscheinlich ohnehin nicht vor Morgengrauen ankommen.
Summer Westin war hart im Nehmen. Er dachte daran, wie
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